Es ist schon länger ein offenes Geheimnis, dass viele Unternehmen nicht wegen, sondern trotz ihres Top-Managements erfolgreich sind. Es ist die berühmte zweite Reihe und die Sidekicks, die ihre Chefs reden und repräsentieren lassen, um dann das zu machen, was notwendig und richtig ist. Und das können sie besonders gut, weil die Führungsetage meint, dass das auf ihren Direktiven beruht.
Wenn jetzt also das Schweizer Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ das Halali des Managers vom Typ „Command and Control“ bläst, dann ist das mehr als überfällig. Allerdings ist Vorsicht angesagt, denn „Totgesagte leben länger“. Aber wir sind guter Hoffnung, dass die Spezies der selbstverliebten und machtgeilen Blender ausstirbt, weil ihnen der Lebensraum für Inkompetenz weiter genommen wird. Unternehmen funktionieren immer weniger von oben nach unten und müssen sich immer häufiger neu erfinden. Und genau für diese Herausforderungen mit den entsprechend anspruchsvollen Aufgaben sind Führungskräfte vom Typ „Funktionär“ völlig ungeeignet.
Wer den Artikel „Ende eines Abgotts: Warum der klassische Manager nicht mehr gefragt ist“ von Dirk Ruschmann (Nov. 2021) liest, versteht, dass Hohle-Phrasen-Managementtheorien soviel Erkenntniswert haben wie das Horoskop aus einer Boulevard-Zeitung. Funktionäre mögen noch einen halbwegs akzeptablen Job in eingeschwungenen Systemen mit routinierten Prozessen machen, aber Unternehmen, die ihre selbstbestimmte Transformation realisieren wollen, brauchen kreative Idealisten. Menschen, die mit anderen Menschen Transformation als sozialen Prozess verstehen und sich von der Vorstellung einer sinnstiftenden und nachhaltigen Zukunft des Unternehmens entflammen lassen.
So besteht die Chance, zu einer Organisationskultur der Authentizität, Integrität und Intelligenz zu kommen, die Unternehmen als lebenden und denkenden Organismus versteht. Dafür eignen sich Menschen, die wissen, was gesellschaftliche Verantwortung im marktwirtschaftlichen Kontext heißt. Menschen, die demütig ihre Planungsprozesse im Unternehmen verstehen. Menschen, die kollaboratives Handeln nicht als Großzügigkeit, sondern als Regel verstehen. Andererseits müssen sie schon fast anarchisch in der Analyse sein, denn Ableitungen aus der Vergangenheit werden schwieriger. Sie müssen respektlos im Gestalten sein, weil Silos niedergerissen werden müssen. Dafür brauchen sie eine Radikalität im Denken, die tatsächliche Alternativen zur aktuellen Situation des Unternehmens zu entwickeln vermag.
Die zweite Reihe wird die erste Geige spielen und die vielen Sidekicks übernehmen Hauptrollen. Ansonsten war das Halali vergebens …

