Forschendes Lernen: Eyetracking als Kick für Design

Mit strategischen Zielen planen Hochschulen ihre Zukunft. Aber wie wird aus Strategiepapieren eine wirksame Verbesserung in Lehre und Forschung? Und wie intensivieren sich Beziehungen nach Innen und Außen? Als ein Beispiel wird das ehemalige Eyetracking-Labor im Studiengang Design- und Projektmanagement an der FH Südwestfalen vorgestellt. Es zeigt, wie ein strategischer Link entstehen kann – zwischen Lehre und Forschung, internen Kompetenzen und externer Sichtbarkeit. Ich leitete das Labor von 2014 bis Ende 2016 mit der Hilfe des Wiss. Ass. Julian Unzner.

Aktives Mitgestalten statt passives Memorieren
Die Hochschulen haben es heute mit einer anspruchsvolleren Generation von Studierenden zu tun. Die Studierenden sehen immer weniger ein, warum ihr Lernvermögen sich nur auf das passive Memorieren beschränken soll, wenn doch mit einem Klick ins Internet das Meiste nachzulesen ist. Wo bleiben das aktive Erproben und reflektierte Mitgestalten? Dazu kommen die abnehmenden Halbwertzeiten von Wissen in vielen Disziplinen. Die Bedeutung des deklarativen Lernens verschiebt sich hin zum prozeduralen Lernen, zur Selbstreflektion und zur Handlungskompetenz. Gerade in einem managementorientierten Studiengang wie Design- und Projektmanagement ist diese Art des Lernens essentiell. Die komplexen Aufgaben von Design- und ProjektmanagerInnen in einer interdisziplinären Praxis erfordern eine Persönlichkeitsbildung bereits im Studium. Es gilt, eigene Werte, Positionen und kritisches Denken auszubilden – ebenso die Fähigkeit zur Kooperation mit den unterschiedlichsten Menschen, von den ausgemachten Spezialisten bis hin zu den sogenannten Out-of-the-box-Thinker. Es spricht alles dafür, aus den Studierenden aktive, reflektierte Mitproduzenten ihres Wissens zu machen. Auch die Anforderungen der Arbeitswelt von Morgen erwarten genau diese Kompetenzen einer Berufsbefähigung. 

Eyetracking als Motivation für das „Forschende Lernen“
Als Laborleiter entwickelte ich daher einen Weg, um Eyetracking in die Lehrinhalte meiner Denomination „Design- und Produktmanagement“ zu integrieren. Es sollte als komplexe Technik und Tool zum “Forschenden Lernen“ motivieren. Hierbei handelt es sich um einen hochschuldidaktischen Ansatz aus den 1970er Jahren, der derzeit wieder hochaktuell ist (z.B. Huber 2009). Die Besonderheit besteht darin, dass Studierende auf Basis bewährten Wissens selbstständig zu noch-nicht-gedachten Problemlösungen vordringen können. Konkret kam das Eyetracker-Labor in den Modulen „Produktgestaltung“ und „Designmanagement-Projekt 2“ zum Einsatz. Im Modul „Produktgestaltung“ wurden Ästhetik-Experimente für genderorientierte Nutzertypologien durchgespielt. Im Designmanagement-Projekt 2 waren eigene Forschungssequenzen zu Gestaltungseingriffen im Packungsdesign zu konzipieren, durchzuführen und auszuwerten. 

Komplementäre Lehr- und Lernformen im Wechselspiel
Einen wesentlichen Beitrag zu dem nachhaltig hohen Studienerfolg leistete das Konzept komplementärer Lehr- und Lernformen. So führte Julian Unzner in den technischen Part des Eyetracking-Labors ein und stellte die thematisch-methodische Anschlussfähigkeit zu den Vorlesungen und den Projektaufgaben her. Die studentische Arbeit im Labor war damit stets erkenntnisorientiert. Komplementär hierzu war die theoretische Auseinandersetzung mit den Vorlesungen, z.B. mit Planungsmodellen und wissenschaftlichen Konzepten, stets anwendungsbezogen. Die Team- und Projektorganisation wurde inhaltlich und zeitlich abgestimmt. Ein wöchentliches Monitoring überprüfte den Erarbeitungsstand der studentischen Teams in gemeinsamen Arbeitsbesprechungen mit Feedback. 

Vom Reiz des akademischen Lernens 
Das Eyetracking-Labor als Teil meiner Lehre in verschiedenen Modulen erhöhte den Reiz des akademischen Lernens für viele Studierende enorm. Ihre Fähigkeiten zur selbstständigen Problemlösung und zur Anwendung erlernten Fachwissens waren gefordert. Mit der hochschuldidaktischen Methode des „Forschenden Lernens“ wurde die Lücke zwischen reproduzierendem Lernen und generierendem Forschen geschlossen. Die Ergebnisse waren nicht nur erkenntnisreich, sondern vor allem zufriedenstellend für die Studierenden. Um es im Rückblick kurz zu sagen: Ein solches Lernen fordert viel, macht aber auch richtig Spaß. Und das gilt genauso für die Lehre. Auch in anderen Hochschulen scheint es übrigens eine stärkere Betonung der Laborarbeit zu geben. So berichtete die FAZ online über so genannte „Lernfabriken“ z.B. des Karlsruher Instituts für Technologie KIT. Denn auch für angehende Maschinenbauer sei heute ein technisches Grundverständnis nicht mehr selbstverständlich (Jungmann in FAZ.NET vom 14.02.2017).

Laborarbeit als strategischer Erfolgsfaktor
Im Rückblick halte ich den Einsatz des Eyetracking-Labors geradezu für einen Erfolgsfaktor des Studiengangs. Die Laborarbeit hat die Attraktivität des Studierens und die Bekanntheit des Studiengangs erhöht. Gleichzeitig erhalten Partner der Wirtschaft einen Einblick, mit welchen Kompetenzen sie bei den dpm-Studierenden zu rechnen haben. Ein wesentlicher Aspekt im Rahmen der Personalentwicklung einer Hochschule ist zudem die Qualifizierung der Mitarbeiter. Gerade Hochschulen in der sogenannten „Provinz“ verfügen mit ihren Laboren über ein Potenzial, um sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Der Erfolg einer solchen strategischen Verzahnung eines Labors mit dem Ansatz der forschenden Lehre im Studiengang zeigt die Gestaltungsmöglichkeiten für Hochschule und Lehrende zum Nutzen der Studierenden auf. Insofern ist die als Experiment gestartete Integration des Labors für Eyetracking in die Lehre geglückt.

Bildquelle: PhotoDisc