Design – deine Zukunft will erobert werden!

Verzweifelt gesucht: Eine Position, die weder schüchternes Leisetreten noch selbstverliebtes Sprücheklopfen ist – sondern selbstbewusst und seriös, hör- und sichtbar, präsent und dialogorientiert. Die Leisetreter auf der einen Seite (siehe VDID-Meldung) warten frustriert darauf, dass die Welt ihr Genie endlich entdeckt und ihnen den roten Teppich ausrollt. Die Sprücheklopfer auf der anderen Seite (siehe zeit.de über OMR) reklamieren das Thema Wirtschaft und Zukunft mit großem Getöse für sich.

Jedes Buzzword wird zur Chefsache erklärt und jede neue Idee ist sensationell und auf dem direkten Weg zum Chartbreaker. Diese Welt der revolutionären Wirtschaftsgestalter, in der das Superlativ (das „krasseste Event des Jahres“) die neue Normalität ist, ist geprägt von sprachlosen Technikern und geschwätzigen Marketern, von mac-gyvernden DesignerInnen und sprechblasenden PolitikerInnen. Solche Extreme versperren den Blick auf seriöse Positionssuchen, die einer Wissensgesellschaft mit steigender Akademikerquote und einer Welt mit radikalen Paradigmenwechseln gerecht werden.

Auch das Design sollte sich fragen, was es angesichts der Transformationsaufgaben zur Zukunftsgestaltung beitragen kann. Und sollte das mit ambitionierten und dezidierten Argumenten vortragen. Design ist doch schon längst kein „Hidden Value“ mehr, wie es beim VDID heißt. Warum sind aktuell der 90. Geburtstag von Dieter Rams und seine Erfolge für Braun und das Image Deutschlands ein großes Thema in den Medien? Design findet auch nicht mehr seinen Höhepunkt bei der Schaffung von „Produkterlebnissen“. Ist dies doch ein Begriff aus der alten Überflussgesellschaft und nicht aus der neuen Circular Economy, die den Hedonismus im Konsum neu definiert. Warum nur orientiert man sich im Industrial Design immer noch an einer Marktwirtschaft, die durch Differenzierung in gesättigten Märkten und globalisierten Wertschöpfungs- und Lieferketten getragen wird, in der das Produkt als Symbol des Wohlstands im Zentrum steht. Dass sich die Gesellschaft ein solches Design nicht mehr in dieser Form leisten kann, scheint bei einigen VertreterInnen der Disziplin noch nicht angekommen zu sein.

Die Industrie-DesignerInnen sehen sich immer noch nur als Teil einer Dienstleistung und nicht als Motor einer kreativen Zeitenwende. Dabei war Design auch noch nie nur Teil des Produkt- und Innovationsmanagements, sondern immer schon Treiber der unternehmerischen Kreativität. Anders ist der breite Erfolg von Design Thinking nicht zu erklären.

Auch könnte man mal in der Designgeschichte blättern und nachlesen, was Peter Behrens (1868-1940) bei der AEG bewirkt hat. Offenbar haben einige im Design die Wurzeln ihrer Disziplin vergessen. Dabei könnte man mit Odo Marquard (1928-2015) fordern: „Zukunft braucht Herkunft“. Ist es doch das Wissen um die eigene Geschichte, welches das professionelle Selbstverständnis fundiert und verortet. Das Herkunftswissen stabilisiert die eigene Kompetenz und dynamisiert gleichzeitig das individuelle Selbstbewusstsein. Das sind wichtige Voraussetzungen, um die professionelle Identität zu beschreiben und sowohl die Grenzen als auch die Schnittmengen zu anderen Berufen aufzuzeigen. Garantiert dies doch ein gutes interdisziplinäres Zusammenarbeiten in der Gegenwart.

Spannend allerdings ist die Frage nach der Entwicklung von Kompetenzen der eigenen Disziplin für die Zukunft. Geht es doch auch um die Frage, wie sich die jeweilige Disziplin mit ihrer Bedeutung im Konzert der Wissenschaften positioniert. Hierfür sind wichtige Entwicklungen der Zukunft und die Relevanz daraus abzuleitender Konsequenzen für die Gesellschaft respektive Wirtschaft frühzeitig zu thematisieren und die eigene Kompetenz substantiiert darzustellen. Ebenso sind Szenarien zukünftiger Entwicklung aus der Perspektive der eigenen Domäne zu imaginieren und zu argumentieren.

Zukunft ist kein Glücksspiel – Zukunft will erobert werden. Los geht´s …

Link: https://www.zeit.de/kultur/2022-05/omr-hamburg-marketing-influencer

Link: https://www.vdid.de/aktuelles/veranstaltungen/detail/2022-05-21-designhiddenvalue

Bildquelle: DigitalVision