Prozedurales Denken: Mehr Philosophie in der Transformation wagen

Was hat aus Deutschland, dem Volk der “Dichter und Denker”, eine der größten Exportnationen dieser Welt gemacht? Was haben Goethe und Grass mit diesem Geschäftsmodell zu tun? Gemeinsam ist der Anspruch nach der zu erreichenden höchsten Qualität. Vielleicht ist das ja auch die Ursache dafür, dass „Made in Germany“ zu einem der erfolgreichsten Images weltweit geworden ist?! Dem zugrunde liegt ein komplexes Leistungsversprechen, welches am Ende des Tauschgeschäfts („Mein Geld für deine Ware“) zwei Gewinner ausweist, weil beide Seiten zufrieden sind. Anspruch und Angebot, Kosten und Kunde sind kein kritischer Gegensatz, sondern zeichnen sich durch eine kompatible Ganzheitlichkeit aus. Ob darin das Geheimnis der Gemeinsamkeit liegt? 

Von Johann Wolfgang von Goethe weiß man, dass er sowohl ein Genie der Dichtung als auch ein Naturforscher und Jurist war. Und Günter Grass konnte nicht nur exzellent mit Sprache umgehen, sondern er war auch ein begnadeter Grafiker und Bildhauer. Im Übrigen waren beide politisch höchst engagiert – Goethe als Minister in Weimar und Grass unterstützte die SPD und die Grünen. Zwei hochkreative Menschen, die die Geschehnisse der Welt wahrnahmen und dabei ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wurden. Ihr Verständnis von Ästhetik korrelierte immer mit ihrer Vorstellung von Ethik. 

Die Welt verstehen und sich in ihren Werten verankern

Dies ist eine Haltung, die in einer Zeit der Selbstoptimierung, der Minimierung von Aufwand und dem Primat der direkten Nützlichkeit und unmittelbaren Verwertbarkeit für immer unwichtiger gehalten wird. Dabei brauchen Gesellschaft und gerade ihre Wirtschaft mehr intellektuellen Tiefgang, um ihre Transformation zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Mehr philosophisches Denken täte hierfür den Entscheidungsträgern und Führungskräften sicher sehr gut. Sind es doch der Wunsch nach Wahrheit, das Erlebnis von Erkenntnis und die Überzeugung, in die richtige Richtung zu gehen, die die Motivation für zukunftsträchtiges Handeln befeuern. Nur wer die Welt versteht, ist in ihren Werten verankert. 

Philosophisch geprägtes Nachdenken und programmatisches Vormachen sind das Ying und Yang einer ökologisch-ökonomischen Transformation, deren Ziel intelligente Innovationen sind. Die kreativen Protagonisten einer neuen Wirtschaft arbeiten auf zwei Ebenen: Gestalterisches Suchen als kreativ-offener Prozess und wissenschaftliches Untersuchen als methodisch-strukturierter Vorgang. Ein solch gestalterisches-wissenschaftliches Arbeiten vollzieht sich im Wechselspiel von hermeneutischer Interpretation und heuristischem Experimentieren. Das innovative Ergebnis überwindet die Prinzipien einer selbstzerstörerischen Konsumwirtschaft und führt durch Gestaltungsverantwortung zu einer transformativen Leistungsqualität. So ist Wirtschaft wieder „schöpferische Zeit“ – nicht nur zum Reproduzieren und Vermarkten, sondern auch zum Experimentieren und Innovieren mit kreativen und wissenschaftlichen Mitteln.

Vom Trend zur Transformation

Die Lösung zu gesellschaftlich relevanten Problemen findet sich nicht in den Problemen selbst – sie findet sich immer in der Person des Problemlösers. Es sind die Menschen, die offen in ihrer Wahrnehmung sind, die Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden und die sich vorstellen können, was demnächst passieren kann. Es sind die Menschen, die versuchen die Welt zu verstehen und wissen wollen, was das mit ihnen und ihrem Job tun wird. 

Solche Menschen zeichnen sich sehr oft durch ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein aus. Ein weiteres Wesensmerkmal dieser Menschen ist, dass sie die Suche nach Erkenntnis nicht zufrieden stellt. Sie wollen auch Antworten auf die Probleme unserer Zeit in ihrem Wirkungsbereich geben. Und da sie wissen, dass es nicht nur eine Antwort auf die Probleme gibt, suchen sie nach diversen Optionen. Sie finden diese nicht, wie man nach besonderen Steinen am Meer sucht, sondern sie entwerfen sie selbst. Aus Ideen machen sie Möglichkeiten und sind für diese Sprachrohr – Was wäre, wenn … Daraus entspinnt sich ein Dialog mit der Außenwelt, in dem sie plausible und machbare Lösungsalternativen konzipieren. Das ist der Moment, wo durch die Sprache als Kommunikationsmittel ein kausaler Zusammenhang zwischen den Problemen der Vergangenheit und der Lösung für die Zukunft für alle Beteiligten nachvollziehbar wird. Diese Sätze des Begründungszusammenhangs lauten dann auch meist: „Wir machen das, weil …“ Dadurch werden die Alternativen zum Gegenstand eines dialogischen Verfahrens mit der Umwelt, in deren Folge die praktikablen und realistischen Ergebnisse konkretisiert werden. Es wird verbindlich und detailreich, Realisierungsschritte können entschieden werden.

Vom Verständnis des Verstehens zur Haltung des Handelns

Was hier bislang beschrieben wurde, ist die philosophische Kunst der Hermeneutik und die pragmatische Praxis der Heuristik – Welt verstehen und Probleme kreativ lösen können. Das lässt sich trainieren, denn es braucht die individuelle Imagination als Transferleistung. So wird zu einem Gestaltungswillen auch die entsprechende Gestaltungskraft entwickelt. Das sind die beiden Beine, auf denen Kreationen stehen. Gemeint sind technische und soziale, ökonomische und ökologische Innovationen, die die Transformation unserer Gesellschaft voran bringen sollen. Es sind die schleichenden, die sprunghaften und auch die disruptiven Innovationen, die einer Volkswirtschaft sowohl ihre Legitimation als auch ihre Wertschöpfung liefern. Das Konstrukt der Wertschöpfung ist fluide und auch vergänglich. Um eine stabile ökonomische Basis zu haben, werden Trends und ihre Beobachtung und Bewertung zu lebensverlängernden Maßnahmen volks- und betriebswirtschaftlicher Zyklen. Wer das nicht beachtet, macht sich selbst obsolet …

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