Ist Design eine Wissenschaft oder doch ein Handwerk geblieben? Was bedeutet es, wenn der Deutsche Designtag kritisiert, dass der Bundeskanzler bei seinen Berufungen für den Rat für Nachhaltige Entwicklung das Design respektive dessen VertreterInnen außen vorlässt? Und welche Folgen könnte es haben, dass die Beziehung zwischen Design und Transformation immer öfter mit Verve auf die Agenda kommt? Zeigt nicht all dieses, dass sich im Design widersprüchliche Verständnisse, unerfüllte Erwartungen, gegensätzliche Positionen wiederfinden? Wie lange sich diese kleine Domäne eine solche Zerreißprobe noch leisten kann, bleibt abzuwarten.
Nicht abwarten wird eine Gesellschaft, deren Probleme immer virulenter werden. Es geht nicht mehr darum, ob die notwendige Transformation stattfinden wird, sondern nur noch um das Wie. Und dabei werden die Akteure zum Zug kommen, die elaborierte Konzepte und belastbare Kompetenzen mitbringen. Will das Design hierzu seinen Anteil beisteuern, geht das nur über wissenschaftliche Qualifizierung. Dabei hätte es ganz gute Voraussetzungen – ein modellierendes Forschungsverständnis und ein umsetzungsstarkes Praxisvermögen. Kernkompetenz dafür ist die Kreativität der DesignerInnen, die immer auf die Entwicklung von Innovationen aus ist. Hinzu kommt eine Unerschrockenheit bei Interventionen in routinierte Prozesse, die notwendig sind, um die Terra incognita der Transformation zu erkunden.
Wenn das Design respektive seine Protagonisten – mit Recht – politische Ansprüche stellen, etwa bei der gesellschaftlichen Gestaltung von Nachhaltigkeit und der dazugehörigen Wirtschaft, dann müssen aber auch große Ideen her. Darunter sind Utopien zu verstehen, die durch radikales Denken entstehen. Ideen, die über inkrementelle Innovationen weit hinausreichen und ganze Systeme und deren Strukturen infrage stellen und neu interpretieren. Es reicht nicht, wenn Produkte gestaltet werden, die mal mehr und mal weniger ökologischen Anforderungen genügen. Wir reden hier über die Komplexität einer Volkswirtschaft, die im internationalen Wettbewerb eine bedeutende Rolle spielt. Das Design ist in diesem Kontext nicht mehr wirtschaftsnaher Dienstleister, sondern wird zur global relevanten Denkleistung. Diese wird gebraucht. Denn die Welt hat sich längst weitergedreht. Sie folgt ökonomischen Prämissen mit exzessiven Profiten, technologischen Prozessen nach wissenschaftlichen Prinzipien unter ökologischen und ethischen Protesten. Diese Komplexität braucht neue Antworten.
Es ist an der Zeit, dass das Design sich neu erfindet. Wer Verantwortung übertragen bekommen will, muss wissen, dass das Wort Antwort darin steckt. Und dass eine Designwissenschaft sich offensiv und proaktiv der Probleme und Programme der Transformation anzunehmen und sich von den Kleidern der großen Geschwister zu befreien hat. Selbstredend, die Meriten von Bauhaus, Ulm und Dieter Rams bleiben unberührt …

