Das Böse des Guten?

Da sind sie wieder – die guten Nachrichten zur Bedeutung von Marken für die Unternehmensausrichtung. Nachzulesen in der BrandZ-Studie „Top50 Most Valuable German Brands“ des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Kantar, die Anfang 2023 veröffentlicht wurde. Und die Deutsche Telekom wird wertvollste Marke in Deutschland – Glückwunsch. In Vorträgen, Veröffentlichungen und Vorlesungen zum Design und Management habe auch ich immer wieder die Bedeutung des Themas Marke betont. Und die Wichtigkeit des Markenmanagements herausgestellt. Selbstverständlich auch mit kritischen Untertönen, aber nie das Konstrukt Marke grundsätzlich in Frage gestellt. Warum eigentlich nicht?

Da wurde ich kürzlich gefragt, ob ich nicht nur das hohe Lied auf die Marke singen kann, sondern auch etwas zur Verantwortungslosigkeit von Marken sagen kann. Ja, haben doch Marken auch eine negative Seite. So wissen schon die Kinder auf den Schulhöfen, wie sich soziale Diskriminierung anfühlt, wenn die einen das Swoosh und die anderen kein Logo auf ihren Shirts tragen. Und wenn der berufliche Aufstieg vermeintlich gelungen ist, dann muss es ein (zu teures) Auto mit einem Stern sein. Aber sind das nun zwei Beispiele für die Verantwortungslosigkeit von Marken oder eher für uns Menschen, deren Selbstgefälligkeit und Eitelkeit nach sozialer Differenzierung verlangen? 

Aber was ist „Marke“ eigentlich für ein Konstrukt? Und wie sieht die Beziehung zu Unternehmen und Management aus? Lassen Sie es mich so formulieren: Die Marke ist ein polyvalentes Angebot an den Rezipienten, der es mit seinen Wünschen, Träumen und Vorstellungen ergänzt und meint, dass er sich selbst dadurch vervollständigt. Der Markenwert definiert sich aber nicht nur durch die Kunden- und Nutzerurteile, sondern auch durch eine Reihe von Finanzkennzahlen aus der betriebswirtschaftlichen Statik des Unternehmens. Unternehmen und ihr Management sind eine komplexe Struktur mit konkreten Beziehungen zu Lieferanten und zu Arbeitnehmern, vernetzt in ihrer Region. Sie stellen Waren oder Dienstleistungen her, deren Sinn das Tauschgeschäft „Geld gegen Leistung“ ist. Marke und Unternehmen sind damit stark miteinander verzahnt. Somit kann und muss zur Verantwortungslosigkeit von Marken auch das Handeln des Unternehmens mit einbezogen werden. 

Wenn wir also zur Verantwortung respektive zur Verantwortungslosigkeit von Marken diskutieren wollen, spannt sich der Bogen von Naomi Klein und ihrem Buch „No Logo!“ aus dem Jahr 2000 und geht über zur aktuellen Kontroverse der Übergewinnsteuer für Mineralöl-Konzerne und ihren Marken und hört noch lange nicht auf bei den Textilunternehmen und ihren Überproduktionen, die am Ende in der Atacama-Wüste landen. Vom Diesel-Skandal will ich gar nicht reden!

Frei nach Goethes Faust: Ich (die Marke) bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft.

Link: https://www.markenartikel-magazin.de/_rubric/detail.php?rubric=marke-marketing&nr=61235&PHPSESSID=jju65b44gh1587h5t3mqqvadm1

Bildquelle: PhotoAlto (James Hardy)