Spätestens seit Georg Francks Buch „Die Ökonomie der Aufmerksamkeit“ von 1998 wissen wir um die Bedeutung der Ressource Aufmerksamkeit. So will nicht nur die Wirtschaft die Aufmerksamkeit des Marktes für den Verkauf ihrer Produkte, sondern auch das Individuum will die Aufmerksamkeit der Gesellschaft und ihre Anerkennung für seine Singularität.
Der Mensch ist eben nicht nur Konsument, sondern auch Produzent und will als solcher gesehen werden. Oder ist sogar jeder Mensch Künstler (Joseph Beuys)? Andy Warhol spricht von „15 Minutes of Fame“, die jedem zustehen, und betont damit die Demokratisierung von Ruhm. Ist hier die Kunst dem Kapitalismus voraus? Statistischer Wert (als Konsument) gegen schicksalhafte Bedeutung (als Künstler)? Möglicherweise sieht die Kunst ihren Rezipienten nicht als Partner für ein Tauschgeschäft, sondern als Teil des Prozesses in der Genese eines Kunstwerks – eine Beziehung gegenseitigen Respekts. Einen solchen Umgang mit ihren Kunden lassen doch manche Unternehmen vermissen. Vielleicht absorbiert „Die gnadenlose Konkurrenz um Aufmerksamkeit“ (HB 10.3.2023) so viel an Energie und Kapazität, dass der Kunde ins Hintertreffen geraten ist.
Dabei bleibt der Kampf um Aufmerksamkeit im Grunde fruchtlos. Dies liegt einerseits an der industriell skalierten Produktivität, deren gesamte Menge weit über unseren praktischen Ver- und Gebrauchsmöglichkeiten liegt – so meine Einschätzung. Andererseits sind unsere Fähigkeiten der Rezeption für dieses gigantische Angebot nicht ausgelegt und wir sind überfordert. Diese Asymmetrie hat sich in der westlich-kapitalistisch strukturierten Marktwirtschaft in den letzten Dekaden zu einem wettbewerblichen Angriffskrieg um Aufmerksamkeit entwickelt. Im Grunde werden wir als Konsumenten ständig mit Auf- und Erregungsfeuern attackiert, während sich viele Menschen in der immer heftigeren Tretmühle des Existenzkampfs und der Überlebenssicherung abstumpfen.
Mag es noch relativ einfach sein, die momentane Aufmerksamkeit des anderen zu bekommen, ist es um ein Vielfaches schwieriger, diese dann dauerhaft zu erhalten. Eine der Ursachen hierfür ist „Der Kampf aller gegen alle“ (Frank Wiebe), der inzwischen regelrecht zu einem kakophonischen Gemetzel geworden ist. Die Individualisierung der Gesellschaft mit dem hohen Gut der Singularität streitet gegen den Hyperwettbewerb der Marktwirtschaft, die dem Mantra des Wachstums folgt– neutralisiert man sich am Ende gegenseitig?
Vielleicht ahnte Hans Domizlaff (1892-1971) eine solche Entwicklung, als er die Markentechnik erfand. Bemerkenswert der Titel seines 1937 erstmals erschienenen Buches: „Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens“. Gut geführte Marken-Unternehmen wissen, dass Vertrauen keine Einbahnstraße ist, sondern ein rücksichtsvoller Gegenverkehr. Wer Aufmerksamkeit will, muss Achtsamkeit geben. Nicht Krieg und Kampf, sondern Kooperation und Kollaboration …
