Was ist der Unterschied zwischen der Kirche und der Kirsche? Man kann sich an beiden die Zähne ausbeißen. Aber der „Markenkern“ der Kirsche ist biologisch abbaubar. Spaß beiseite, gerade an der katholischen Kirche könnte ein Markenberater verzweifeln. Immer wenn man denkt, dass gerade wieder etwas an Glaubwürdigkeit aufgebaut wurde, zertrampelt ein Skandal oder eine reaktionäre Meinungsäußerung den zurückgewonnenen Goodwill. Schade, haben doch die Kirchen auch viele sozial sinnvolle Aktivitäten in ihrem Programm!
Wenn man Hochschullehrer für ein Fachgebiet ist, das sich auch mit den „weichen“ Faktoren der Unternehmensführung befasst, weiß man, dass Glauben ein wesentliches Managementprinzip ist. Man muss an seine Mitarbeiter genauso wie an sich glauben, man muss an die Vision des eigenen Unternehmens glauben, genauso an die Entschlossenheit der Wettbewerber. Und man muss glauben, dass Zukunft kein sich unabhängig von einem selbst entwickelndes Fatum ist. Eine der Möglichkeiten für ein Unternehmen und sein Management, Zukunft für sich zu beeinflussen, ist das Konstrukt der Marke. Bilden sie doch den Vertrauens-Vorschuss beim Kunden, der letztlich das Band zwischen Angebot und Nachfrage verknotet. Deswegen ist es für das Management und seine Strategie gleichermaßen wichtig, eine Marke im Markt darzustellen. Was dabei häufig vergessen wird, ist, dass es mit dieser Form der Management-„Mode“ noch lange nicht getan ist. Es muss zur Mission der gesamten Mannschaft des Unternehmens werden, sozusagen zum genetischen Code generieren. Das lässt sich nicht von der Kanzel herunter verordnen, sondern muss gemeinsam geträumt, gedacht, gelebt und geliebt werden. Alles andere ist nur aufgesetzt und wird schnell vom Markt durchschaut – mit dem Ergebnis, dass sich die Menschen anderen Marken zuwenden. Ein Problem, das nicht nur Unternehmen, sondern auch Organisationen wie die Kirche haben. Nicht von ungefähr verzeichnen diese aktuell einen Rekord an Kirchenaustritten.
Was kann die Kirche vom Konstrukt „Marke“ lernen? Das war Gegenstand eines Berichtes von Jan-Philip Borchert, der sich u.a. auf ein Interview mit mir bezog. Veröffentlicht wurden die Aussagen unter der Überschrift „Zwischen Glaube und Geschäft“ am 24. März 2016 in der Zeitung B_Local. Diese Zeitung war ein Projekt der Axel-Springer-Akademie und wurde von Volontären produziert. Und für 80 Cent wurde die Zeitung in Berlin verkauft. Wenig Geld für neue „Grenz-Erfahrungen“ mit dem Glauben – so lautete nämlich das Schwerpunkt-Thema der damaligen Ausgabe. Wenn ich also im kommenden November im österreichischen Dornbirn „Zur Verantwortungslosigkeit von Marken“ referieren darf, dann kann es durchaus zur konstruktiven Kontroverse zwischen dem Jenseits und dem Diesseits, zwischen Monstranz und Mercedes-Stern kommen. Dank an Klaus Kofler für die Einladung zum Future Talk 2023!

