Marken-Fake – Vom Balzen der Blender

Was haben Frank Abagnale und Wilhelm Vogt gemeinsam? Beide gaben vor, mehr zu sein, als sie es in Wirklichkeit waren. Beide waren Hochstapler – der eine aus Gier und der andere aus Not. Im Hollywood-Film „Catch me if you can“ (Steven Spielberg) zieht sich der Protagonist Frank Abagnale eine Piloten-Uniform an, mit der er seine Umwelt blendet. Und in der Tragikkomödie “Hauptmann von Köpenick“ (Carl Zuckmayer) kleidet sich Wilhelm Vogt in die Uniform eines ranghohen Militärs. Und aus der Novelle „Kleider machen Leute“ (1874) von Gottfried Keller wissen wir, wie sich Menschen von der äußeren Erscheinung täuschen lassen. Nicht umsonst ist die Geschichte der sozialen Differenzierung auch eine Geschichte der Mode und ihrer Aufladung durch zugeschriebene Bedeutung.

Man sollte denken, dass in unserer aufgeklärten Gesellschaft das Sein den Schein deklassiert. Weit gefehlt! Auch wenn inzwischen die Krawatte zum Hemd kein Muss mehr ist und sogar die Sneakers zum Anzug getragen werden können, gibt es immer noch den Dresscode, der durch Zeichen Zeichen setzt. Und es scheint den Menschen noch immer ein dringendes Bedürfnis zu sein, mehr darzustellen, als sie sind, um so Anerkennung zu bekommen. Im Übrigen lässt sich durch die eigene Kleidung dem Gegenüber auch Respekt zollen.

Anders ist es, wenn man sich mit den Attributen des erkennbaren Luxus ausstattet. Wird hier doch auch schnell die Grenze zum Angeben, Imponieren bis hin zum Blenden überschritten. Und als besonders unangenehm empfinde ich es, wenn es sich um Plagiate handelt. Schon qua Profession kann ich als Designer das Plagiieren nur verurteilen, weil für uns das Original respektive seine Originalität immer als schützenswert gilt. Das Original ist das endgültige, materielle Ergebnis, während die Originalität seine kreativ-künstlerische Gestaltqualität klassifiziert. In der Regel ist dies alles harte, oftmals auch langwierige Arbeit, deren Markteinführung meist mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden ist. Dies alles will der Kopist sich sparen und deswegen ist der Tatbestand „Diebstahl geistigen Eigentums“ auch erfüllt.

Was mich aber eigentlich irritiert, ist, dass es Menschen gibt, die kein Problem haben, die gefälschten Markenprodukte käuflich zu erwerben. Und diese Design-Fakes dann stolz wie ein balzender Pfau, der mit ausgebreiteter Federkrone paradiert, ihren Mitmenschen vor die Nase halten. Peinlich! Dieses „Fake for real“-Phänomen ist beim Stand unserer Warenkultur völlig überflüssig, weil es unglaublich viel gutes Design für so gut wie jeden Geldbeutel gibt. Oftmals sind diese Dinge sogar praktischer oder auch technisch anspruchsvoller als viele dieser Luxus-Accessoires. Und ihre Gestaltung folgt einer Ästhetik des Angemessenen und verzichtet auf das Imponiergehabe. Jeder Mensch sollte die Souveränität der eigenen Persönlichkeit leben und sich nicht durch „alternative Fakten“ aufwerten.

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Bildquelle: digitalSTOCK