Jede Marke ist so gut wie ihr Management! Werden dort Fehler gemacht, bestrafen dies die Kunden am Markt sofort. Doch stimmt das eigentlich? Sicher war dies noch 1995 der Fall, als Shell und Esso planten, ihren schwimmenden Öltank Brent Spar vor den Shetland-Inseln zu versenken. Dagegen startete Greenpeace eine öffentliche Kampagne. Mit Erfolg! Daraufhin meldeten die deutschen Shell-Tankstellen einen Umsatzrückgang bis zu 50 Prozent. Was dazu führte, dass Brent Spar an Land demontiert und verschrottet wurde. Dagegen ein aktuelles Beispiel: Vor der Küste Jemens im Roten Meer verrottet ein Öltanker mit dem zynisch klingenden Namen „FSO Safer“ und 181 Millionen Litern Öl und droht, die Natur katastrophal zu verseuchen. Und? Und darüber regt sich die Welt nicht auf …
Die tägliche mediale Portion „Kettensägen-Massaker“ hat uns als Gesellschaft so abstumpfen lassen, dass wir vielleicht noch eine Empörungsfassade zeigen, diese aber ohne Konsequenzen für unser Handeln als Kunden bleibt. Ist der kritische Konsument nur noch eine Wachsfigur bei Madame Tussaud in deren Kabinett? In Frankreich ermittelt die Justiz gegen Apple, weil es den Verdacht der geplanten Obsoleszenz bei iPhones gibt. Was, wenn es so wäre, eine üble Manipulation gegenüber der Kundschaft ist. Doch schaut man sich die aktuellen Quartalszahlen an, ist zu erkennen, dass Apples Erfolg mit dem iPhone nicht abgestraft wird. Merkwürdig? Nicht anders bei Audi, deren Ex-Chef gerade wegen des Diesel-Skandals vor Gericht steht und ein Geständnis abgelegt hat. Und auch das bleibt ohne Einfluss auf die wirtschaftliche Situation der Marke. Hat doch Audi im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn eingefahren und erwartet sogar für das laufende Jahr steigende Verkaufszahlen. Komisch? Verzockt hat sich Adidas mit seiner Kollektion „Yeezy“ des auffällig ausfälligen Antisemiten und Rappers Kanye West. Jetzt muss der ganze Krempel verlustreich verkauft werden und – immerhin – soll ein Teil des Erlöses an Organisationen gespendet werden, die gegen Diskriminierung und Hass kämpfen. Adidas, Anfang des Jahres mit Gewinnwarnung und einem degressiven Aktienkurs, gehört dennoch zu den Top-3 der beliebtesten Arbeitgeber des diesjährigen „Schülerbarometers“. Nachvollziehbar?
Im November 2023 werde ich anlässlich der Veranstaltung „Talk Future“ in Dornbirn zur „Verantwortungslosigkeit von Marken“ sprechen. Der Zukunftsforscher Klaus Kofler von der Future Design Akademie hat mich mit dieser Thematik sehr ins Grübeln gebracht. Ich denke, dass die Macht der Marken auch durch die Kapitulation der Konsumenten möglich wird. Sollten wir in Zukunft keine gesunde Symmetrie zwischen der Markenmacht und einer starken Kulturkritik schaffen, wird dies langfristig nicht nur den Konsumenten schaden, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit schwächen. Denn die braucht konstruktiven Widerspruch und keine willfährigen Konsumenten!
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Link: https://www.sueddeutsche.de/leben/rupert-stadler-audi-manager-policen-strafrechtsschutz-1.5865082
Link: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/adidas-kanye-west-jeezy-spenden-1.5870720
