„Doppelmoral“ wurde mir vorgeworfen, als ich über die Symbiose zwischen Marke und den großen Ideen dieser Welt auf LinkedIn schrieb. Statt mich zu ärgern, brachte ich Verständnis auf. Wir erleben momentan eine Zeit, in der das Konstrukt der Marke nicht mehr unkritisch und widerspruchslos gesehen wird. Ein Beispiel sind Chemie-Unternehmen und ihre Markenprodukte, die landwirtschaftliche Böden durch Pestizide unbrauchbar machen. Oder Modemarken, die mit der Entsorgung ihrer Fast Fashion in der Atacama-Wüste Umweltschäden verursachen. Oder Marken, die mit ihrer Preisgestaltung weit über der Inflationsrate liegen und so tun, als wäre das völlig in Ordnung. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Die Marke hat ihre marktwirtschaftliche Unschuld verloren!
Klimawandel und Marke setzte ein anderer meiner Posts in Beziehung. Einer der Kommentatoren zitierte daraus den Satz „Demnächst werden Marken weniger zum Kauf verführen, sondern deutlicher den Kunden durch den Transformationsprozess führen.“, den er in seiner Aussage für zentral wichtig hielt. Ich denke, dass diese Aussage sehr deutlich den Rollentausch von Marken macht – Ende der bedenkenlosen hedonistischen Funktion für die KundInnen, Beginn der sinngebenden transformativen Funktion für die Gesellschaft. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass die Unternehmen bereit sind, wieder marktwirtschaftliche Verantwortung zu übernehmen und aufhören, sich nur um sich selbst zu drehen. Die Marke hat an zukunftsorientierter und damit an gesellschaftlicher Verantwortung gewonnen!
„Glückliche Menschen konsumieren nicht.“, lautete der Kommentar auf einen Post zum Thema Marke und Konsum. Recht zutreffend, bedenkt man, dass es viele Belohnungskäufe gibt, denen kein echter Bedarf zu Grunde liegt. Hier treffen reale Kaufkraft und eine Form der Frustration aufeinander, in der die Marke so etwas wie Erlösung verspricht. Der Mensch hat das Vertrauen in die Erlösung durch das Jenseits offenbar verloren und will im Hier und Jetzt seine Entlastung. Die moderne Konsum-, Wohlstands- und Überflussgesellschaft flunkert dem Menschen vor, dass sie die höchste Stufe des menschlichen Glücks darstellt. Der materielle Reichtum der Individuen hat die Fiktion des Schlaraffenlands Wirklichkeit werden lassen – aber um welchen Preis? Die Marke braucht einen kulturellen und intellektuellen Relaunch! Andernfalls wird es demnächst als Wettbewerbsinstrument sinnlos!Es ist an der Zeit, dieses Thema kritisch zu reflektieren und bei der Gelegenheit das Konstrukt neu zu definieren. Spannend, weil kontrovers wird der Diskurs um die normative und evolutionäre Ebene des Konstrukts Marke im Kontext der globalen Transformation. Es steht eine neue Formatierung des Konzepts Marke an. Dafür braucht es natürlich noch mehr an klugen Gedanken, als diese Compilation hier dokumentiert. Es könnte aber ein Anfang sein …
