Die Marke ist tot!

Es muss um 1970 gewesen sein, als ich auf einem klassischen Bolzplatz in meinem Dorfverein Fußball spielte. Wir kämpften und trainierten auf Sportplätzen, die mehr Ähnlichkeit mit Truppenübungsplätzen hatten. Im Winter ging es in Turnhallen, deren muffiger Geruch sich sofort wieder in meiner Nase einstellt. Draußen kamen Fußballschuhe mit Stollen zum Einsatz und in der Halle wurde mit Adidas Samba gedribbelt, geschossen und gelaufen. Und dabei immer in der „absoluten Gewissheit“, eines Tages Tore wie Uwe Seeler oder Gerd Müller zu schießen. Auf den Schulhöfen trug man Hosen der Marke Levis. Wer aber Original Jinglers Jeans mit dem Glöckchen von C&A trug, musste Häme und Spott der Mitschüler ertragen. Da waren sie, die Schattenseiten des Markenkults …

Mehr als zwei Jahrzehnte später kaufte ich mir nochmals ein Paar Adidas Samba. Ich unterlag der Illusion, dass ich mich nochmals so cool fühlen könnte wie als bolzender Teenager. Was für eine alberne Selbsttäuschung!

Dabei kann man mit diesem Klassiker und erst recht mit hippen, angesagten Sportschuhen von Nike und Co. sogar im Reselling Geld verdienen. Es gibt genug gut betuchte Menschen, die Sneakers als Sammlerstücke und Geldanlage sehen. Nachzulesen im Handelsblatt vom 4.8.2023 unter der Headline „Spekulieren mit Sportschuhen“. Markenkult at it‘s best? Wobei ich gestehen muss, dass ich dieser Entwicklung nichts Positives abgewinnen kann. Aber vielleicht reden wir hier von einem Wettkampf, der mit Athletik nichts, aber viel mit eitler Aufwertung zu tun hat? Wie dem auch sei, Sneakers sind offenbar zu Zeichen eines Lifestyles geworden, der für jung, dynamisch und erfolgreich steht. Diese Form der ökonomischen und sozialen Differenzierung halte ich für absolut retro und obsolet!

Die Marke ist tot! Es lebe die Marke! Die Marken der Zukunft werden verantwortungsvoller mit ihren Kunden und deren Leben umgehen müssen. Dieses „Hauptsache ihr habt Spaß!“ ist peinlich, nicht lustig oder unterhaltsam. Die neuen Marken werden sich um ihre Zielgruppen ernsthaft sorgen und sich dem Schutz der Umwelt verschreiben. Sie müssen Menschen so gut wie möglich durch die Transformation begleiten, wollen sie nicht ihre Bedeutung verlieren. Dabei haben sie deutlich längere Produktlebenszyklen, sind zu reparieren und lassen sich modernisieren. Natürlich sollten sie nach den Kriterien der Kreislaufwirtschaft entwickelt sein. Auch müssten sie dialogintensiver und digital unkomplizierter werden. Allein das Thema Marke und Sneakers kann schon eine abendfüllende Diskussion sein. Wenn noch die Moral dazu kommt, kann es hitzig werden. Die Veranstaltung „Marken und Moral – Verantwortung Konsum“ (16.11.2023, A-Dornbirn) wird nicht das hohe Lied auf die Begehrlichkeit der Produkte im Supermarkt und im Online-Shop singen, sondern kritische Töne zum Verhalten von Industrie, Handel und Verbraucher anschlagen. 

Bildquelle: Eigenes Bild