Die Überzeugung von etwas Übergreifendem

Wenn die Europäische Union (EU) eine Marke wäre, würde man diese weiterempfehlen? Natürlich kann man einen Staatenbund wie die EU nicht mit einem ökonomischen Konstrukt vergleichen. Doch auch Europa muss sich im Wettbewerb behaupten, und zwar der geopolitischen Systeme. Die üblichen Kleinstaaterei-Egozentriker sollten eigentlich Geschichte sein. Sonst wird Europa eines Tages zwischen den Interessen der großen Machtblöcke marginalisiert und letztlich zerrieben. Eine Warnung sollte uns sein, dass Großbritannien die europäische „Familie“ verlassen hat, weil sie nicht mehr an deren Idee glaubte. Zwar geht es dem Königreich inzwischen volkswirtschaftlich schlechter, doch dafür haben sie die Illusion von Unabhängigkeit. 

Wo ist der gemeinsame Nenner zwischen Welt- und Markenpolitik? Für Unternehmensmarken, die im Familienbesitz sind, zählen auch “die Firmenkultur und das soziale und ökologische Engagement“ („Mit Tradition beim Kunden punkten“ 16.8.2013, Handelsblatt). Wer sich noch an die Zankerei zum Brexit oder an die Verteilungsquoten der Flüchtlinge erinnert, weiß, dass das mit respektvoller und emphatischer Umgangskultur wenig zu tun hatte. Und unternehmerische Marken müssen sich auch an ethischen Kriterien messen lassen. Würde man nicht über sie den Stab brechen, wenn man hörte, was die EU gerade macht? Sie kauft Flüssiggas aus Russland ein – „etwa 40 Prozent mehr als im selben Zeitraum, also vor dem Krieg.“ („Flüssiggas: Die EU importiert Rekordmengen aus Russland“ 31.8.2023, Capital). Die Art von Verhalten findet man bei Unternehmen leider auch, aber die EU verspielt dadurch Goodwill bei vielen Menschen. 

Die EU könnte eine stolze Marke sein, auf die Menschen – nicht nur in Europa – vertrauen und der sie Zukunft zutrauen. Gerade letzteres wird immer wichtiger. Europa ist keine Marke, weil sie eben immer noch keine Werteunion und eher eine Währungsunion ist. Unverantwortlich ist das, denn die „Alte Welt“ wird im Kampf um die neue Weltordnung so deutlich geschwächt. Ich vermute, dass sich die Zukunft des Markenkonstrukts für politische Institutionen wie auch für Wirtschaftsunternehmen am Stichwort „Gemeinsinn“ entscheiden wird. Der Fokus muss dann allerdings mehr über die eigene Interessenlage hinausgehen und die Außenwelt stärker einbeziehen. Der Radius der eigenen Wirksamkeit hat sich zu erweitern, er muss ganzheitlicher und gemeinschaftlicher werden. Vielleicht machen uns einen solchen Gemeinsinn gerade Familienunternehmen vor, die hoch im Ansehen stehen. Ihnen traut man nicht nur den Blick auf die Bilanz zu, sondern auch die Überzeugung, dass sozio-ökonomische Systeme durch etwas Übergreifendes wie Vor- und Fürsorge und in der Übereinkunft von Zukunft verbunden sein müssen. Wie stark verbindet sich künftig eine Marke mit den Menschen der Innen- und der Außenwelt von Unternehmen? Eine Antwort, die die Zukunft mitentscheidet …

https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/verbraucherbefragung-mit-tradition-beim-kunden-punkten/29333134.html

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