Was ist eine Alternative? Eine Herausforderung.

Erinnern Sie sich noch an das Unwort des Jahres 2010? Nein? Es war „Alternativlos“. In Deutschland prominent geworden durch die damalige Kanzlerin Angela Merkel, die das Wort „Alternativlos“ im Kontext mit ihrer Energiepolitik und dem Atomausstieg einsetzte. Auch wenn ich in der Sache mit ihr konform ging, brachte mich dieses Wort auf die Palme. Das hatte zum einen professionelle Hintergründe, weil es im Designprozess immer Alternativen gibt und nie die einzig richtige, wahre Lösung. Zum anderen fühlte ich mich an die Basta-Politik von Herrn Schröder erinnert. Mit einem Wort: Ich fühlte mich bevormundet. Und das halte ich in Demokratien für völlig unangebracht.

Gerade komplexe Designprozesse sind immer interdisziplinär und partizipativ angelegt, weil so die Erfolgs-Wahrscheinlichkeit deutlich steigt. Und ein professionelles und kreatives Leadership weiß, dass es immer wieder Situationen geben kann, die eine Kurskorrektur oder sogar erhebliche Kursänderung plötzlich notwendig erscheinen lassen. Die Herausforderung liegt darin, den Spielraum für alternatives Denken zu erkennen und dann mit den Beteiligten die neue Route und sogar ein neues Ziel zu entwickeln. Hier zeigt sich sehr schnell, wer flexible Denkstrukturen hat und wie hoch das Sachinteresse ist oder ob dieses von verstecktem politischem Interesse geleitet wird.

Kommen wir vom Grundsätzlichem und Abstraktem zum konkreten und spezifischen Fall. Nehmen wir den Wahl-Sonntag in Thüringen und Sachsen gestern. Was mich überrascht hat, war nicht das Wahlergebnis, sondern die ewig gleichen Rituale danach – Dank an die WählerInnen, die Verlierer haben eigentlich gewonnen, weil alles noch viel schlimmer hätte kommen können und wir als Partei machen gute Politik, nur kriegen wir das nicht kommuniziert. Bla, bla, bla. Nachts werden die Wunden geleckt und am nächsten Morgen gibt es ein Bekenntnis zum „Weiter so!“, weil man sich ja nicht vor der Verantwortung drücken will. 

Die Annahme, dass die Ampel-Koalition keinen verabredeten Politikwechsel hinbekommt, dürfte zutreffen. Wenn ich die SPD wäre, hätte ich ab jetzt existenzielle Sorgen. Und würde mich fragen, wie ich meine Legitimität als Volkspartei retten kann. Planspiele sind angesagt, denn Neuwahlen könnten derzeit für alle einen katastrophalen Ausgang haben. Was wäre, wenn die SPD mit der Union verabredet, dass sie eine Minderheitsregierung bildet mit Tolerierung durch die Union? Ist das geklärt, könnte die Koalition gezielt kollabieren. Indem der Kanzler von seiner Richtlinien-Kompetenz Gebrauch macht und z.B. die Schuldenbremse aushebelt. Dann könnte der jetzige Kanzler zurücktreten und der im Amt befindliche Verteidigungsminister übernehmen. SPD und CDU könnten zeigen, ob sie wieder GroKo können. Und durch einen realen Politikwechsel ließe sich die Springflut der WählerInnen ins rechte Lager verhindern.

Wie heißt es so schön: Außergewöhnliche Situationen erfordern besondere Maßnahmen …

Bildquelle: Eigenes Foto