Was ist Innovation? Ein Fluch.

Innovation in unserer Gesellschaft lässt sich mit Eltern vergleichen, deren Kinder kein Gemüse essen und die dafür Softdrinks und Süßigkeiten bekommen. Die elementaren, zentralen „Nutrition Facts“ von Innovationen erscheinen heute als selbstverständlich und wenig interessant. Interesse wecken allenfalls „Desserts“, sofern sie spektakulär präsentiert werden. Ob wir den Begriff Innovation hyperinflationär in den letzten Jahren verwandt haben? Zeitweise konnte man den Eindruck gewinnen, dass an jeder Klobrille das Label „Innovativ“ klebt. Hat unsere Wohlstands- und Überflussgesellschaft die Prioritäten verschoben und reagiert nur noch auf persönliche Statussymbole und hedonistische Lust-Produkte für den Einzelnen? 

Wenn man die Klage hört „Die Zukunft ist leider ausverkauft“ (zeit.de 20.9.2024), dann klingt das schon tiefenresigniert. Man muss wohl akzeptieren, dass der Hype von iPhone und Co. vorbei ist – ausinnoviert. Das, was jetzt noch kommt, löst keine Probleme, sondern optimiert nur noch Funktionalitäten. Statt „Must have“ ein „Nice to have“. Auch haben diese Produktgattungen ihre Unschuld angesichts ökonomischer und ökologischer Schattenseiten verloren. Sind unsere Erwartungen z.B. an Apple einfach nur überzogen, weil wir Besseres aus der Vergangenheit kannten? Der Fluch der guten Tat? 

Dennoch sehe ich nicht den Ausverkauf des Futurums, denn zu groß ist die Zahl der Probleme, die sich nur durch Innovationen lösen lassen. Und – nach meinem Wissen – haben wir noch ungehobene Schätze bei den Kreativen dieser Welt zu entdecken.

Es ist Zeit, dass der Begriff Fortschritt eine neue Definition und damit auch Konnotation bekommt. So sollten wir aus der sportlichen Maxime des „Schneller, höher, weiter“ eine gesellschaftliche Verpflichtung machen: „Schneller handeln, höher denken, weiter entwerfen“. Die politischen Rahmen fürs Innovieren müssten grundsätzlich ein schnelleres Handeln der Wirtschaft ermöglichen – jeder Schritt einer Transformation ist bürokratisch noch viel zu aufwendig. Die Wirtschaft selbst muss höher denken – weit über Quartalsberichte hinaus. Mehr wertsetzende Innovationen, statt bei wertschöpfenden Neuerungen zu enden. Und die Kreativen dieser Welt sollten weiter entwerfen, aber nicht im Sinne von weiter machen, sondern radikal zukunftsorientierter, visionärer, weltverbessernder.

Ein Bereich, in dem dringend Innovationen gebraucht werden, ist der ÖPNV. Wollen wir, dass unsere Städte nicht kollabieren, muss der öffentliche Nahverkehr von Bus und Bahn attraktiv werden. Wie das vom Design her geht, zeigt das Beispiel der Stuttgarter Stadtbahn. Dabei geht es nicht nur um die Außenhaut, sondern mehr um den Fahrgastraum und seinen Komfort. Schön beschrieben in der NZZ: „Moderner S-Bahn-Bau: erst das Design, dann die Technik“, nzz.ch 19.9.2024.Innovationen brauchen keine leeren Kalorien, sondern Konzepte mit Nährwert – gesellschaftliche Relevanz mit ökologisch-technischer Substanz. 

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