Was ist Wettbewerb? Eine Beleidigung.

Wir mögen sie nicht! Vielleicht hassen wir sie sogar – Menschen, die uns die schlechten Nachrichten überbringen. Zerstören sie doch unsere vermeintliche Idylle des „Lebe Deinen Traum“. Und wenn es jemand wagt, uns eine schlechte Nachricht zu überbringen, wird er geköpft. So berichtet es die Bibel im zweiten Buch Samuel über König David. Ebenso wird dies über den Aztekenherrscher Montezuma erzählt. Als ihm der spanische Eroberer Cortez angekündigt wurde, ließ er den Boten hinrichten. So löste man früher Probleme, die man nicht akzeptieren wollte.

Nur früher, heute nicht mehr? Wenn die Präsidentin einer Universität ihren Job verliert, weil sie ein Sparprogramm realisieren muss, das seinen Ursprung in der sinkenden Zahl von Studierenden hat, scheinen wir die alten Rituale doch noch zu praktizieren („Wegen Spar-Vorwurf: Uni-Präsidentin in Vechta droht Rauswurf“, ndr.de 16.10.2024). Wenn eine Hochschule von einst 5.500 auf aktuell 4.000 Studierende schrumpft, dann müssen sich die „Bediensteten“ dieser Einrichtung automatisch auch auf geringere Budgets einstellen. Ab dem Moment beginnt eine unangenehme Diskussion. Wer spart wo wieviel ein? Verhandelt wird oft nach dem Sankt-Florian-Prinzip „Verschon´ mein Haus, zünd´ and´re an!“. Natürlich ist man für Sparmaßnahmen, aber eben nicht bei einem selbst – eine sehr durchsichtige Argumentation!

Gerade Hochschulen außerhalb von attraktiven Metropolen und erst recht die auf dem „platten Land“ haben mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Sie müssen sich mit einem exzellenten Angebot begehrenswert exponieren. Wer das nicht kann oder will, fällt früher oder später hinten runter … Es ist keine neue Nachricht, dass sich Universitäten und Fachhochschulen auf Wettbewerb einlassen müssen. Aber offenbar geht die Reaktion oft über Lippenbekenntnisse nicht hinaus. Strukturell scheint man im Wissenschaftsbetrieb noch immer zu denken, dass die pure Existenz als Legitimation völlig ausreichend ist. Rückläufige Studierendenzahlen mit der mangelnden Qualität oder Attraktivität des Lehrangebots in Verbindung zu bringen, wird als Affront empfunden. 

Wie träge systemrelevante Verhaltensänderungen in Gang kommen, kann man im Hochschul-Blog von Jan-Martin Wiarda nachlesen („Der Wettbewerb, dem sich die Hochschulen jetzt stellen müssen“, 28. Oktober 2022). Auch meine eigenen Erfahrungen zu Bemühungen um Wettbewerbsfähigkeit an Hochschulen sind desillusionierend. Wenn ich im Kollegenkreis diese Herausforderung ansprach, gab es drei stereotypische Reaktionen: 1. „Das machen wir doch schon alles!“; 2. „Dafür hat doch das Präsidium eine halbe PR-Stelle eingerichtet.“; 3. „Wir müssen das demnächst in einem neuen Arbeitskreis besprechen.“ Oft war in den Gesichtern so etwas wie Majestätsbeleidigung zu sehen. Heute werden die Überbringer schlechter Nachrichten nicht mehr geköpft, aber durch geschickte Rhetorikfassaden kaltgestellt …

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