Eigentlich freut es mich, wenn das Thema Konsum in den Massenmedien kritisch beleuchtet wird. Über den Weg der Erkenntnis sind schließlich auch Verhaltensänderungen möglich. Allerdings bin ich eher frustriert im Fall der auf 3sat ausgestrahlten Dokumentation „Ich kaufe, also bin ich – kann es guten Konsum geben?“. Wird doch hier seit langem Bekanntes einmal mehr vorgestellt. Dabei hatte ich gehofft, dass die Gesellschaft in der Zwischenzeit in der Problemanalyse und den Lösungsansätzen weiter ist. Dringend gebraucht werden strukturelle Lösungen. Hierzu war aber wenig zu vernehmen. Stattdessen wurden individuelle Strategien wie die eigenständige Herstellung von Textilien oder die Reparatur von Opas Röhrenradios – also Nischen – vorgestellt. Eine Postwachstumsökonomie wurde zwar als Notwendigkeit postuliert, aber nicht als gangbarer, alternativer Weg erläutert. Man solle zum Beispiel sein Smartphone länger als zehn Jahre nutzen. Wäre ja sinnvoll, aber man wird ja nicht umsonst nach wenigen Jahren von den notwendigen Updates abgekoppelt. Machen Sie mal mit einem zwölf Jahre alten Smartphone sicheres Online-Banking! Die im Beitrag suggerierte Hoffnung, dass der Verbraucher durch sein Konsumverhalten strukturelle Änderungen erzwingen könnte, halte ich für eine Chimäre. Die Verantwortung für die Transformation der Gesellschaft lässt sich nicht auf den Einzelnen und seine Kaufentscheidungen delegieren!
Der Verbraucher ist doch hoffnungslos überfordert! Ständig wird er von „Sale“ und „New“ angetriggert und permanent werden die Ressourcen seiner Aufmerksamkeit verschlissen. Ich nenne das Wohlstandsporno, weil es nichts mehr mit dem ursprünglichen Leben und seinen elementaren Bedürfnissen zu tun hat. Unser Konsum hat längst dystopischen Charakter, weil das Entsorgen sehr viel herausfordernder geworden ist als das Besorgen. Dahinter steht ein Kapitalismus, dessen kannibalistische Tendenzen sich vom Geld verdienen zum Lebensgrundlagen zerstören entwickelt hat. Unser Konsum in seiner derzeitigen pervertierten Form ist ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert.
Bewegen wir uns in einer Dauerschleife von Diskussionen, die immer wieder von maßlosem Konsum über Überproduktionen bis hin zur Zukunftszerstörung reichen? Wo bleibt der Fortschritt der Erkenntnis? Und wo setzt er sich in Handeln um? Was steckt dahinter? Realitätsverweigerung? Veränderungsangst? Dummheit?
Wenn wir als Gesellschaft uns grundsätzlich einig sind, dass es eine Transformation braucht, dann muss sich das in den politischen Programmen der Parteien wiederfinden – als sozialdemokratisches, grünes, konservatives, linkes oder liberales Angebot. Jede Partei sollte einen relativ präzisen Entwurf von Zukunft haben und in der Lage sein, diesen zu kommunizieren. Dazu gehört auch die Neudefinition von Wohlstand in einer Konsumgesellschaft. Was nicht geht: Die Vergangenheit als Zukunft verklären. Die Rhetorik des Gestern ist kein Rezept für das Morgen!