Die Zeit ist immer die Zeit geblieben. Was damals die Kuba-Krise war, ist heute der Ukraine-Krieg und die Gefahr eines 3. Weltkrieges. Die heutige Generation der jungen Menschen hat Zukunftsangst. So wie ich damals, als ich mitten im (selbstfinanzierten) Studium war und in Deutschland die Inflation auf 7 Prozent (1974) anstieg. In der Zeit stand Volkswagen auch schon einmal mit dem Rücken zur Wand und kriegte mit dem Golf im selben Jahr doch noch die Kurve. Damals wie heute spielt man „Mensch ärgere dich nicht“. Auch die, die das Spiel bestens kennen, ärgern sich trotzdem, wenn sie mit allen vier Spielfiguren in ihrem „Häuschen“ landen. Dann geht es wieder von vorne los …
Was sich in der Welt allerdings geändert hat, ist die Zahl der Spieler! Es sind nicht mehr vier bzw. sechs Spieler auf dem Spielfeld mit ihren Figuren, sondern um ein Vielfaches mehr. Die Zahl der interessierten und vor allem auch qualifizierten Mitspieler in der globalen Wirtschaft ist kontinuierlich gestiegen. Die Komplexität der Wettbewerbssituation und die Angriffslust der Marktteilnehmer stellt höhere Anforderungen an Wachsamkeit und Antizipation. Der Druck auf die permanente Aufmerksamkeit, neue Risiken zu erkennen und neue Chancen zu nutzen, wächst unaufhörlich. Wer das Spiel gewinnen will, muss sehr konzentriert beobachten, was seine Mitspieler tun, nicht tun und was sie eventuell tun könnten. Dabei darf man den Respekt vor der Cleverness der anderen Mitspieler nie verlieren …
Antizipieren ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für Wettbewerbsfähigkeit. Gemeint ist die mentale Vorwegnahme einer zukünftigen Aktion von Wettbewerbern und möglicher Veränderungen im Markt sowie deren Konsequenzen für einen selbst. Antizipation ist ein Zeitsprung in eine Zukunft, deren Konturen sich gerade erahnen lassen und die zur Handlung geradezu herausfordern. Eine solche Managementhaltung ist wie ein unternehmensphilosophisches Credo. Es basiert auf der Erkenntnis, dass „alles fließt“ und dass Anpassung ein notwendiger Kulturwandel ist. Antizipieren heißt auch, zum Entwerfer der eigenen Zukunft zu werden.
Ich halte das Antizipieren für eine völlig unterbewertete Fähigkeit im Management. Allerdings setzt sie mehr voraus als den starren Blick auf Zahlen und Vergangenheit. Es braucht ein Bild von der globalen Zukunft, es braucht ein mehrheitlich getragenes Wertesystem und einen ethischen Kompass. Zukunft findet sich nicht am Ende eines betriebswirtschaftlichen Tunnels.
Wir müssen als Gesellschaft lernen, was kollektives Antizipieren heißt. Zukunft annehmen und als Bild vorwegnehmen ist ein Gesellschaftsspiel, das nicht nur „Einzelkönner“ braucht! Erforderlich ist ein Zusammenspiel von Wirtschaft und Politik auf Augenhöhe. Die Transformation unserer Gesellschaft braucht weder hier noch dort Egomanen. Es geht um einen Wettkampf der Unternehmen und der Volkswirtschaften und dieser muss frei von Eitelkeiten sein …