War das der Sputnik-Schock für Europa?

Nachdem ich mich im Laufe des Vormittags aus meiner Schockstarre gelöst habe, spüre ich neben meinem Kater einen aufkommenden Zorn. Was da im Weißen Haus gestern passiert ist, wird eines Tages zur schwärzesten Stunde unseres westlichen Wertesystems gehören. Das, was ich an amerikanischer Politik kennen und schätzen gelernt habe, ist jetzt Geschichte. Die USA werden sich nur noch um ihr Machtkalkül in der Welt kümmern! Und wer von den Rechtshändern unter den europäischen Regierungschefs noch meint, das Hinterteil des Präsidenten wäre ein Wellness-Spa, der hintertreibt die europäische Idee. Entweder kriegt „Die alte Welt“ jetzt die Kurve zu einem ver- und geeinten Europa, oder aber der Kontinent verspielt die Chance auf seine souveräne Existenz.

Lügen sind im Umlauf wie: „EU wurde gegründet, um USA über den Tisch zu ziehen“. Völlig absurd! Meine persönliche Umgebung ist voll mit Apple-und Microsoft-Produkten und ich weiß nicht, wieviel Geld ich in meinem Leben dafür ausgegeben habe. Interessieren würde mich auch, was eBay und Amazon mit mir verdient haben. Und dass die Wartung und Instandhaltung der britischen Atom-U-Boote von den Amerikanern für einen warmen Händedruck zu haben ist, glaubt ja wohl kein Mensch. 

Ja, es ist richtig, dass wir uns als NATO-Mitglied zu sehr auf die Schlagkraft und den Schutz des US-Militärs verlassen und dabei die europäische Verteidigungsfähigkeit vernachlässigt haben. Wir waren gutgläubig bis naiv, bequem bis ignorant. Aber auch das kann nur ein Europa ändern, das seine momentane Verletzlichkeit sieht und mit Volldampf versucht, seine Schwächen auszugleichen.

Ich denke, dass die neue Regierungskoalition einen ausgewiesenen Schwerpunkt auf die europäische Zusammenarbeit haben muss. Unter den aktuellen Umständen muss genau diese Aufgabe Chefsache mit hoher politischer Priorität sein. Mit Unverständnis sehe ich in diesem Kontext, dass die Sondierungsverhandlungen (wegen Karneval?) erst nächste Woche wieder aufgenommen werden. Wenn es aktuell ein sehr knappes Luxusgut gibt, dann ist es Zeit. 

Für die Amerikaner war 1957 der „Sputnikschock“ ein Treffer ins Selbstbewusstsein, der in den USA unglaublich viel in Bewegung gebracht hat, so dass dann doch der „Wettlauf ins All“ 1969 mit der ersten bemannten Mondlandung gewonnen wurde. Vielleicht kann ja der „Trump-Schock“ für die Europäer etwas ähnlich Nachhaltiges bewirken, weil wir unsere Selbstwahrnehmung durch Selbstermächtigung korrigieren. Möglich, dass ich viele komplizierte Details der Zusammenarbeit in Europa unterschätze. Aber warum sollte die EU mit 448 Mio Einwohnern nicht zu vergleichbaren Leistungen wie die USA mit 340 Mio Einwohnern imstande sein? Und bei der Einwohnerzahl sind die Schweiz und Groß-Britannien noch nicht einmal mitgezählt. 

Europa hat und Europa braucht eine gemeinsame Zukunft! Der Moment ist zu entscheidend, um sich wegzuducken.

Bildquelle: Eigenes Bild