Wenn es nicht so explosiv wäre, fände ich es faszinierend, diesen historischen Moment zu erleben. Da ist auf der einen Seite der unberechenbarste Präsident eines Landes, das bisher als die wichtigste Demokratie dieser Welt galt. Auf der anderen Seite stehen wir als ehemaliger Export-Weltmeister, dessen letzte Kanzlerin von der Bevölkerung als „Mutti“ gesehen wurde. Der amerikanische Dschingis Khan hat in weniger als 100 Tagen seiner Amtszeit mehr Porzellan zerschlagen als eine ganze Elefantenherde. „Mutti“ dagegen hat jeden Konflikt zugedeckt, jede Reform umschifft und Strukturwandel aufgeschoben, siehe nur Zustand unserer Infrastruktur.
Hier ist der Political Clash zweier Kulturen zu beobachten, die jahrzehntelang aufeinander bezogen waren. Aber jetzt droht ein Rosenkrieg gigantischen Ausmaßes. Wie wird das Land der „Bedenkenträger“ auf ein „Kettensägen-Massaker“ reagieren, welches jede Form internationaler Zusammenarbeit brachial zersägt? Nehmen wir diese weiteren Klimawandel überhaupt ernst? Wir, die sich für die „Unabsteigbaren“ halten und gar nicht glauben wollen, dass uns „Sugar-Daddy“ vor die Tür gesetzt hat?
Die Pervertierung auch unserer politischen Kultur wird deutlich in dem Spruch „Sie küssen mir den Arsch“ von Donald Trump im laufenden Zoll-Krieg, wobei die Regierungschefs vieler Länder dieser Welt gemeint sind. Aus unserer ursprünglichen Empörung ist schockierte Sprachlosigkeit geworden. Erinnert sich noch jemand an den Skandal, als 2021 Frau von der Leyen, die Präsidentin der EU-Kommission, beim türkischen Präsidenten Erdogan am „Katzentisch“ Platz nehmen musste?
Brisanz hat die Frage, wie die Amerikaner selbst mit der Abschaffung ihres Staates umgehen. Dramatisch wird es auch zu beobachten, wie der Rest der Welt sich verändert.
Es ist diese extreme Polarisierung mit einem irrsinnig schnellen Paradigmenwechsel, der unsere Gesellschaft vor völlig neue Herausforderungen stellt und – wenn es schlecht läuft – wohl überfordern wird. „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit“ wird zur Lachplatte. Das Tempo geben andere vor. Sollten wir uns der neuen „Alles oder Nichts“-Herausforderung stellen, dann ist das eine nationale Aufgabe, die keinen Raum für Egoismen, Eitelkeiten oder Eifersüchteleien hat. Faule politische Kompromisse à la Abschaffung des Heizungsgesetzes rühren nicht an der Substanz der realen Probleme.
Deutschland respektive die EU werden „all-in“ gehen müssen, was den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft angeht. Hierfür wird es viele kluge Köpfe und kreative Konzepte, neue strukturelle Synergien und systemische Symbiosen brauchen. Vor allem wird sehr viel gesellschaftlicher Gestaltungswille und -kraft vonnöten sein. Nur in der Kombination von wuchtigem Willen und konzertierter Kraft lässt sich ein demokratisches Deutschland mit einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft wieder erreichen.
Ja, die Konstellation hat etwas Surreales. Das Risiko des grandiosen Scheiterns lauert ….
