Utopie – das Katapult in die Zukunft

Bald wird es nicht mehr heißen „Haste mal ´nen Euro?“, sondern wir werden fragen: „Haste mal ´ne Idee für die Zukunft?“. Die zerstörerische Phase ist angesagt, aber wie es künftig weiter geht, bleibt offen.

Der Begriff der Utopie wird häufig im Kontext von „unrealistisch“ gar „träumerisch“ verwandt („Das ist doch utopisch!“) oder er wird in die Nähe von Science-Fiction gerückt. Dabei können Utopien die Fantasie und die Kreativität fördern. Utopien haben zwar eine gewisse Offenheit, können aber eine starke Wirkmächtigkeit entwickeln. Wer weiß, ob nicht das iPad aus dem Film „2001: Odyssee im Weltraum“ von 1968 inspiriert wurde? Ob Captain Kirk aus Star Trek (1966) mit seinem „Kommunikator“ das Klapphandy vorgemacht hat?

Während „Träumereien“ in der Technik sich einfach in ihrer individuellen Nützlichkeit erklären lassen, wird es schwieriger bei Sozial- und Gesellschaftsutopien. Utopien zum Gemeinwohl sprechen weiter reichende Horizonte an. Deren Sinnstiftung zu erkennen, setzt voraus, dass man sich nicht nur für sich, sondern auch für die Gemeinschaft interessiert. Denn wenn es der Gemeinschaft gut geht, geht es auch dem Einzelnen gut! Man muss Theoretisches antizipieren können, um die Relevanz für diese Verflechtung zu sehen.

Gerade bei jungen Menschen ließen sich große Potenziale der Kreativität freisetzen, die später zu zentralen Innovationen führen können. Allerdings dürfte das Bildungssystem nicht nur „alte Grundordnungen“ des Wissens restaurieren. Offenbar braucht das Bildungssystem eine eigene Utopie für seine Zukunftsentwicklung.

Was im Übrigen auch für solche Wissenschaften gilt, bei denen die Begriffe Zukunft, Innovation und Kreativität oben auf der Agenda stehen. Ich werde misstrauisch, wenn man sich nur auf die alten Heroen beruft und sich das Wissen aus der Vergangenheit speist. So wie etwa im Design. Gerade feiert Dieter Rams, einer der Granden der industriellen Gestaltung, seinen 93. Geburtstag. Und seine Thesen für gutes Design werden wieder aufs Podest gestellt. Zeitgleich (22.5.2025) heißt es auf spiegel.de: „OpenAI holt sich legendären Apple-Designer Jony Ive – für 6,5 Milliarden Dollar“. Die dramatische Dimension dieser Nachricht katapultiert das Design in die Zukunft und zeigt die erschreckende Kluft zwischen der Nostalgie und der Utopielosigkeit des Designs.

Ich halte das Thema der Kreation von Utopien für völlig unterschätzt und für elementarer denn je. Keine der großen und globalen Krisen, deren Zeuge ich war, ist nach ihrer Bewältigung auf den Zustand vor der Krise zurückgeführt worden. Es gab danach immer einen neuen Zustand. Wenn man jetzt die vielen Konflikte und Katastrophen sieht, weiß man, dass „Zeitenwende“ mehr als ein Buzzword ist. Kurz gesagt: Es wird nichts mehr wie früher sein! Wir erleben jetzt schon eine andere Gegenwart. Und die Zukunft muss von uns neu erfunden werden. Ob sogar das Konstrukt der Utopie eine neue, aktualisierte Interpretation braucht?

Wer Zukunft gestalten und nicht einfach so passieren lassen will, sollte in Utopien denken. Street Art vor dem MAUSA Vauban Musée Arts Urbains et du Street Art in Neuf-Brisach (F).