Ob das typisch deutsch ist? Einen Artikel, der Zukunft thematisiert, mit einer gut 40 Jahre alten Technologie – dem 3D-Druck – zu beginnen? Gemeint ist der Beitrag „Das wird gut“ (29.6.2025, zeit.de), der gegen Pessimismus anschreibt und für mehr Optimismus plädiert. Ja, optimistische Menschen sind viel netter als Pessimisten. Die sind unbequem und stören das Wohlbefinden.
Dabei haben sich die Optimisten zu gefährlichen Zeitgenossen entwickelt. Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit: Die Optimisten haben die russische Annexion der Krim 2014 völlig falsch bewertet. Hätte die politische Welt damals entschiedener reagiert, wären wir vom Angriffskrieg auf die Ukraine nicht überrascht gewesen. Und die Optimisten haben auch geglaubt, dass die Amerikaner ihre Aufforderung zur Aufrüstung Europas nicht ernst nehmen – schon 2009 wurden wir von Barack Obama gewarnt. Und der desolate Zustand der Infrastruktur in Deutschland ist Ausdruck einer naiven optimistischen Haltung. Ach ja, heute (30.6.2025) konnte man im Handelsblatt Morning Briefing nachlesen, dass durch den Einsatz von KI im Grafikdesign die Aufträge um 17% gesunken sind. Optimismus wäre hier fahrlässig!
Es wird Zeit für eine neue Balance zwischen Optimismus und Pessimismus. Und Pessimisten aus der Ecke der unsympathischen Meckerer und Nörgler zu holen. Ich halte die Aussage für falsch: „Sind alle Ausblicke pessimistisch, so fördert das die Lähmung heute, was wiederum die Chance erhöht, dass die düsteren Visionen wahr werden.“ Die gutgelaunten, fast bornierten, die Realität ignorierenden Optimisten stehen auf der Bremse großer Reformen. Und noch etwas: Zukunft ist auf einer geopolitischen Ebene angekommen, die eine neue Weltordnung erkennen lässt. Wir sollten aufhören zu glauben, dass die Welt an den Grenzen unserer Vorgärten aufhört.
Pessimisten werden gemieden, weil sie den Optimisten reichlich Wasser in den Wein kippen. Das tun sie, damit die nicht so schnell besoffen sind und tatsächlich glauben „Et hätt noch immer jot jejange“. Selbst die Autoindustrie weiß es inzwischen besser …
Kritisch sehe ich inzwischen die Methode, vom Einzelnen auf das Ganze zu schließen, also induktiv vorzugehen. Es ist ehrenwert, einen Kongress „Applied Fiction Days“ zu veranstalten und „auf der Basis aktueller Forschung Geschichten von künftigem Gelingen“ zu entwickeln. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Jeder, der sich seriös mit dem Wissenschaftstransfer und Interdisziplinarität in Deutschland befasst, weiß das. Die wissenschaftlichen und die künstlerischen Disziplinen an Hochschulen gleichen Wagenburgen, die sich verbissen gegen jeden Eindringling wehren. Mich würde sehr interessieren, wieviele unserer Technik- und Designstudierenden ein valides Verständnis vom Begriff „Futures Literacy“ haben.
Zukunftsgestaltung funktioniert nur mit ehrlichem, realistischem und mit wissenschaftlich und ethisch belastbarem Wissen. Sonst bleibt sie selbst eine Utopie.
