Auf jede mediale Empörung eine Steuer von 10 Euro. Und das eingesammelte Geld gleich in die Rentenkasse. Ab dann würde der Topf täglich voller!
Wir sind mediale Mecker-Meister geworden, deren national-kulturelle DNA auf Ekel Alfred (Tetzlaff) zurückgeht. Sie wissen schon, das ist die Kunstfigur aus „Ein Herz und eine Seele“, die ständig den Zustand der Welt bemeckerte. Alfred ätzt auf unterhaltsame Weise.
Aber wie alles, was sich wie in einer Schleife wiederholt, verliert es seinen Reiz, seine Besonderheit. Und irgendwann ist es nur noch langweilig, quälend. Selbst wenn die Kritik oder auch Empörung gerechtfertigt sind. So ist beispielsweise im Kommentar „Was die deutsche Wirtschaft jetzt braucht“ (15.8.2025, faz.net) alles richtig und alles aber längst bekannt: „Nach einer Untersuchung der Deutschen Bundesbank ist der Weltmarktanteil der deutschen Güterausfuhr schon seit 2017 rückläufig.“ Begründung: „In Deutschland paarte sich in der Industrie und in der Öffentlichkeit Selbstzufriedenheit über sehr lange erfolgreiche Produkte wie den Verbrennermotor mit einer Abwehrhaltung gegenüber einer Moderne, die zurückgewiesen wurde, weil sie Anpassungen erforderte.“ Ja, Umdenken scheint in Deutschland ein sehr langwieriger Prozess zu sein. Anders kann ich die folgende Aussage nicht interpretieren: „Mercedes-Chef hält Verbrenner-Aus für schweren Fehler – Nützt dem Klima gar nichts“ (11.8.2025, n-tv.de).
Wie resistent wir Deutschen gegenüber Anpassungs- und Veränderungsprozessen sind, zeigt auch das Beispiel der Europa-Universität Viadrina: „Auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit?“ (13.8.2025, faz.net). Für die Situation im Land stellvertretend – die Zahlen sind schlecht, aber die alten Durchhalteparolen bleiben! Die Uni hat seit 2018 ihre Studierendenzahl von 6.500 auf 3.700 fast halbiert. Aber das scheint kein Grund zur Besorgnis in Frankfurt a.d.O. zu sein. „Liest man den Jahresbericht der Viadrina 2024, staunt man nicht schlecht. Die Viadrina sei eine außergewöhnliche Universität, ‚eine Universität, die mit ambitionierten Studierenden, exzellenten Lehrenden und herausragenden Forschenden ihren Beitrag zur Gestaltung einer gelingenden europäischen Zukunft leistet‘, heißt es dort wörtlich.“
Nimmt man den Fall den Chefs der Deutschen Bahn hinzu, muss man fast glauben, dass anhaltender Misserfolg ein Karrierebooster ist. Und wenn von der Teilnahme unserer Bundeswehr an einer möglichen Friedenssicherung in der Ukraine die Rede ist, heißt es „Würde uns voraussichtlich überfordern“ (18.8.2025, tagesspiegel.de).
All diesen Beispielen ging jahrelang eine Kritik voraus, die grundsätzlich berechtigt, aber offenbar völlig sinnlos ist. Kritik und die resultierende Empörung scheinen nur noch harmloses Entertainment zu sein. Systemische Korrektive mit Interventionsoption versagen oder fehlen gänzlich. Hat gesellschaftlich geäußerte Kritik nur noch den Wert eines folgenlosen Ablasszettels? Hoffnungslos?
