Jetzt bin ich doch auf den Leim gegangen! Eigentlich wollte ich nicht für ein Buch PR machen, das im Grunde einen neuen Generationenkonflikt befeuert. Aber als ich den LinkedIn-Post von Marcel Fratzscher heute morgen las, fühlte ich mich doch provoziert. Mir platzte die Halskrause, als ich in einem anderen Kontext auf diese „cleveren“ Tipps stieß: „So schützen Sie Ihr Vermögen vor dem Pflegeheim“ (25.8.2025, t-online.de) Aber der Reihe nach!
Ja, ich bin Jahrgang 1954, Prä-Babyboomer! Aber das ist nicht so interessant. Mir kommt die Idee, RentnerInnen für ein soziales Jahr zu verpflichten, vor wie ein Ablenken von jahrzehntelangen Versäumnissen. Ist der Deckel nicht mehr auf dem Topf zu halten? Oder hat der Teppich, unter den alles Unbequeme gekehrt worden ist, inzwischen so große Dellen, dass die Kinder darüber zu stolpern drohen? Diese Gesellschaft, insbesondere ihre Eliten, weiß seit vielen Generationen, dass die demografische Entwicklung ein reibungsloses Funktionieren des Generationenvertrags vor große Probleme stellen wird. Wenn wir nicht aufarbeiten, warum wir ein verschnarchtes Volk von Wegguckern geworden sind, werden wir keines der großen Probleme lösen können. Ja, wir sind politische Feiglinge geworden, weil wir uns davor drücken, strukturelle Reformen anzugehen. Und damit meine ich nicht nur das Rententhema, sondern auch das Verschlafen von Zukunftstechnologien. Oder das Ignorieren des Säbelrasselns mit Krim-Annexion und anschließendem Ukraine-Krieg durch das Putin-Regime. Na ja, wir wussten auch, dass Donald Trump ein großer Freund von Zöllen ist, um sein Defizit zu verringern. Wir wussten, dass wir ein politisch starkes, machtvolles Europa brauchen, aber haben keine Idee für die Realisierung entwickelt. Seit 1978 ist VW in China tätig und hat nicht registriert, was dort an Auto-Industrie und damit an Bedrohung heranwächst? Seit dem Club of Rome (1968 bzw. 1972) wissen wir, dass wir einen sanften und ökologischen Kapitalismus brauchen. Und seit der ZDF-Dokumentation „Schöne neue Welt“ von 2016 wissen wir auch, dass man im Silicon Valley sehr froh ist über eine extrem langsam reagierende Politik.
Nein, lieber Herr Fratzscher, die Bundesrepublik hat kein Babyboomer-Problem. Und ob wir Omas und Opas jetzt noch ein „soziales Jahr“ in der Kita(?), im Altersheim(?) oder bei der Bundeswehr(?) einschieben, wird kein einziges unserer zentralen Probleme lösen. Im Gegenteil! Unser Problem ist, dass wir uns immer auf die Schulter klopfen, weil wir so clever sind und das Finanzamt um Cum-Ex- bis Erbschaftssteuer „bescheißen“. Wir sollten aufhören, mit dem Finger auf Bürgergeld-Empfänger zu zeigen. Wessen Finger zeigt eigentlich auf das Bildungssystem, das immer weiter den Bach runter geht?
Was mir auf den Keks geht, ist dieses vorwurfsvolle Getue, dass immer andere an allem schuld seien und jeder meint, nur er habe recht. Wenn von Veränderung die Rede ist, hat das nie mit einem selbst zu tun. Warum bloß?
