Die Aufregung um Robert Habecks Rückzug aus der Politik kann ich nicht nachvollziehen. Im Gegenteil, ich würde mir wünschen, dass noch viel mehr PolitikerInnen nach ihrer Zeit im Politikgeschäft echtes Neuland betreten und dabei zu einem so hohen Maß an nachvollziehbarer Selbstreflexion fähig sind. Habecks politische Ideen haben die WählerInnen nicht goutiert und ihn in einem demokratischen Verfahren abgewählt. Okay! Vermutlich werden hier auch die Person und ihre kreativ-intellektuelle Persönlichkeit eine Rolle gespielt haben. Die natürlich in einem äußerst krassen Gegensatz zu Markus Söder, Julia Klöckner und auch zu anderen steht. Habeck sagt selbst von sich, dass er „kein klassischer Politiker“ ist. Aber warum ist das eigentlich ein Problem? Die Habecks dieser Welt benennen und begründen immer wieder Probleme, vor denen andere Politiker sich wegducken. Statt tief zu tauchen und zu ergründen, wird lieber weiter an der Oberfläche gekratzt und vertagt. Sind deshalb Typen dieser Art so unbeliebt? Ja, ich kann nachvollziehen, dass man sich ihm unterlegen fühlt, wenn man seinen Ausführungen folgt. Und das in einer Gesellschaft, die meint, auch ohne belastbares Wissen zu jedem Thema eine qualifizierte Meinung raushauen zu können. Das führt ganz unweigerlich zu Ärger und Verdruss.
Wie die Medien über ihn jetzt herfallen, finde ich unangemessen: „Dieser Auftritt kann Spuren von Hochmut enthalten“ (28.8.2025, sueddeutsche.de), „Robert Habeck hat fertig“ (28.8.2025, faz.net) oder „Wie Habeck sich selbst zum Verschwinden brachte“ (28.8.2025). Warum diese Empörung und dieses Beleidigtsein? Weil er sich nicht in die Loser-Rolle des Ex begeben hat?
Ebenfalls keine klassische Politiker-Karriere hat Uwe Schneidewind, der aktuelle Oberbürgermeister von Wuppertal. Als der ehemalige Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie bekannt gab, dass er nicht mehr kandidiere, titelte die Wuppertaler Rundschau (21.12.2024) „Schneidewind: Neues wird als Bedrohung gesehen“.
Wenn diese Republik ihren kantigen, kreativen Geistern kein willkommenes Zuhause mehr bietet, wird sie den Weg von alten Schlössern gehen – sie verfallen!
Mein Beruf war und meine Berufung ist es immer noch, aus jungen kreativen Talenten professionell tätige Menschen zu bilden, die ökonomisch davon leben können und zum gesellschaftlichen Nutzen beitragen. Rund 20 Jahre habe ich mit dem Designnachwuchs gearbeitet und vermittelt, dass lebenslanges Lernen zum erfolgreichen Beruf gehört wie auch das Betreten von Neuland.
In ihren gut 40 Berufsjahren werden die jungen Kreativen von heute zwischen vier und acht unterschiedliche Karrieren machen. Sie stützen sich dabei auf ihre individuelle Kreativität als Kernkompetenz, um mit ihrem Problemlösungsvermögen innovative Ergebnisse zu generieren. Hierzu gehört auch ihre visuelle und verbale Kommunikationsfähigkeit.
Diese Hinweise waren notwendig, um meine konträre Meinung in einen Kontext zu stellen.
