Nicht verwalten, sondern verantworten!

Heute Nachmittag stand ich in einem dieser großen, modernen Supermärkte, um den anstehenden Wocheneinkauf zu erledigen. Ich finde diese Läden wunderbar, weil es dort inzwischen sogar einen guten Espresso zu trinken gibt. Und an der Theke lächeln mich auch noch so zauberhafte Brownies an. Wie ich da so stand, und mich an Keks und Kaffee erfreute, fing ich Wortfetzten eines Gesprächs zwischen zwei Kunden auf: „Ich habe ja nichts gegen die, wenn die hier arbeiten. Aber wenn nicht, …“ Ich wollte mir meinen Pausengenuss nicht verderben und drehte mich weg. Allerdings fragte ich mich ernsthaft, wie will man in Deutschland Innovationen durchsetzen, wenn Integrationspolitik als anrüchig gilt? Beim morgendlichen Tee las ich: „Spaniens Wirtschaft brummt – und die deutsche nicht“ (29.9.2025, n-tv.de) Einer der Gründe dafür lautet „Zuwanderung“, denn die „mildere die Folgen des demografischen Wandels“. Es ist einerseits das Wissen, das fehlt, und andererseits scheint es immer weniger Menschen zu geben, die für eine solche intellektuelle Transferleistung bereit sind.

Mit einer riesigen Herausforderung haben wir es zu tun – Menschen aus ihrer Vergangenheit zu lösen und in eine neue Zukunft mitzunehmen. Wie innoviert man strukturell in einer Gesellschaft, deren Staatsform die Demokratie ist? Indem man genau das zum breiten Thema in der Öffentlichkeit macht? Ich denke ja! Der Politik in Deutschland muss es gelingen, die Zukunft dieses Landes zu einem Thema zu machen, das breite Teile der Bevölkerung berührt und beschäftigt. Allerdings braucht es hierfür eine neue Art von Problemlösungskompetenz. Wenn beispielsweise gefordert wird „Deutschland braucht eine neue Industriepolitik“ (28.9.2025, faz.net), dann zeigt sich hier ein fatales Versäumnis. „Es ist Zeit für ein neues Verständnis von Industriepolitik. Die aktuelle ist zu sehr darauf ausgerichtet, bestehende Strukturen zu bewahren …“ – wir verwalten immer noch unsere Vergangenheit. Wir hätten schon längst Planungsprozesse neu entwickeln müssen, damit Veränderung tatsächlich stattfindet. Neue Schulden, um alte Strukturen zu subventionieren, bedeutet „Gutes Geld schlechtem hinterherwerfen“.

Die Protagonisten unserer Gesellschaft brauchen ein neues Verhältnis zum Begriff des Verantwortens. Wir müssen uns nicht nur fragen, ob unser Handeln „enkelgerecht“ ist. Wir müssen uns fragen, ob wir das, was wir nicht tun, vor uns hier und jetzt verantworten können. Und wir sollten aufhören, Sachzwänge als Alibi für unsere Verzagtheit anzuführen.

PolitikerInnen im Bund und in den Ländern – entwickelt endlich Begriffssysteme und Bilderwelten der Zukunftsgestaltung eures Verantwortungsbereiches! Es braucht ein Design der Optionen gesellschaftlicher Zukunft. So verringern sich Vorurteile und es entwickelt sich ein gemeinsames Vordenken. Zukunftsgestaltung ist eine Frage des Verantwortens und des Berufsethos von EntscheidungsträgerInnen. Dann klappt´s auch mit der Zuwanderung …

Wer die „Welt“ gestaltet, sollte sich nicht im Verwalten aufhalten. GestalterInnen, ob politisch oder ästhetisch, sollten das Verantworten als Maxime des Handelns haben.