In viele meiner Vorlesungen habe ich Stellenanzeigen zu Jobs aufgenommen, die Themen meiner Lehre unterfütterten: Innovationsmanagement, Kommunikationsmanagement, Designmanagement, Produktmanagement, Change Management, General Management und andere. Zum einen sollten die Studierenden lernen, wie man Ausschreibungen liest und interpretiert, zum anderen sollten sie reflektieren, welche Fähigkeiten in den unterschiedlichen Unternehmen und Branchen aktuell gebraucht werden. Vermutlich ist das der Grund, warum mich interessante Ausschreibungen immer wieder triggern.
Derzeit läuft auf Stepstone eine Stellenausschreibung für einen Strategischen Einkäufer. Dort heißt es in der Beschreibung der Anforderungen an die KandidatInnen: „Sie sind längere Entscheidungswege gewohnt …“. Eine Formulierung, die mich ziemlich irritiert, klingt sie doch nach einem Eingeständnis von Kapitulation vor Komplexität. Es fällt mir schwer, das Delta zwischen propagierter und praktizierter Professionalität in der Praxis zu akzeptieren.
Ja, ich weiß, nichts ist einfach und nichts geht schnell. Manchmal allerdings kommt mir der Verdacht, dass wir ein langsames Tempo und umständliche Prozesse noch immer für völlig normal halten. Dabei bläst uns der „Wind of Change“ zunehmend unangenehmer ins Gesicht und macht uns klar: Wir sollten uns auf andere, nämlich sehr viel schnellere Zeiten einstellen. Und vor allem sollten wir unsere Reaktionszeiten auch in der Mikroökonomie den veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen anpassen.
Wollen wir uns weiterhin als Gesellschaft ein hohes Maß an Lebensqualität erhalten, müssen wir schneller in der Wahrnehmung von Wirklichkeit und in ihrer Beschreibung und Bewertung werden. Und, was ich für dringlichst halte, wir müssen unseren Horizont erweitern. Noch europäischer, noch globaler denken und handeln. Damit meine ich nicht nur die Spitzen-PolitikerInnen und Top-ManagerInnen, sondern die gesellschaftliche Mitte. Nur wer versteht, was international passiert und welche Relevanz das selbst für den eigenen privaten „Vorgarten“ hat, kann sich aus der Rolle des Passanten im Weltgeschehen lösen und zum Passagier einer Reise in die selbstbestimmte Zukunft werden.
Zukunft darf nicht zu einem dysfunktionalen Raum werden, weil wir aufgehört haben, eigenständig zu denken. Um denken zu können, braucht es den Willen zur Wahrnehmung und die Kraft zur Kommunikation. Wer, in welcher Funktion auch immer, Teil der Wirtschaft ist, muss die Zusammenhänge sehen und ihre Bedeutung verstehen – der Homo cogitans wird zur zentralen Größe der Transformation. Dabei geht es nicht nur um Nachdenklichkeit, sondern um das Mit- und gerade um das Vordenken. Zukunft muss gesucht werden, um sie zu finden. Das Denken ist die Navigation dorthin.
Zukunft geht uns alle an. Zukunft ist zu wichtig, um sie einer kleinen Elite zu überlassen.
Hier geht es zum zweiten Teil des Interviews mit Sven Neumann von #NavigatingChange und mir:
Viel Spaß beim Lesen …
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