Jetzt geht’s los! Hoffentlich …

So, jetzt ist es raus – der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland hat erkannt, dass schon längst nicht mehr alles rund läuft. Wir sind „vielleicht etwas zu träge geworden“. Angesichts der offenkundigen Probleme, die dieses Land seit Jahren vor sich herschiebt, und einer schwindsüchtigen Wettbewerbsfähigkeit, klingt das in meinen Ohren nach verzweifelter Beschönigung und opportunistischer Untertreibung. Spät, hoffentlich nicht zu spät, kommt die Erkenntnis: „Wir sind seit vielen Jahren nicht mehr so innovations- und wachstumsstark, wie wir es mit unseren Potenzialen eigentlich sein könnten.“ Das provoziert bei mir die Frage, warum der Kanzler erst jetzt aus dem Knick kommt? Immerhin: „Jetzt hat auch Deutschland einen Fünfjahresplan“ (29.10.2025, faz.net).

Bei aller Skepsis muss ich dennoch positiv anmerken, dass es drei Begriffe aus der „Hightech-Agenda“ der Bundesregierung gibt, die bei mir das zarte Pflänzchen der Hoffnung aufkommen lassen – Mentalitätswandel, Innovationsfähigkeit und Zukunftspotenzial. Ja, dieses Land muss in Gänze begreifen, dass es nicht länger von der Substanz leben kann, sondern einen Aufbruch braucht. Ja, dieses Land muss akzeptieren, dass es sich strukturell erneuern muss – von A wie Arbeitsagentur bis Z wie ZF Friedrichshafen. Ja, dieses Land muss sich wieder begeistern können, um seine Zukunftsgestaltung fokussiert und pro-aktiv oben auf die Agenda zu setzen.

Noch etwas verursacht bei mir gute Laune! Wenn die Rede von „radikaler Erneuerung“ ist, dann ist das keine populistisch-akademische Wichtigtuerei, sondern scheint immer mehr offizielle Doktrin zu werden. Oder wie soll ich das einordnen, wenn dieses Zitat aus dem Munde von Prof. Carolin Häussler, stellvertretende Vorsitzende der „Expertenkommission Forschung und Innovation“, stammt? Treffend auch ihre Aussage „Die deutsche Wirtschaft ist besonders stark in schrittweisen Innovationen, zeigt aber Schwächen bei disruptiven, radikalen Neuerungen …“ Es wird Zeit, dass wir uns aus dem Kokon der verzagten Mittelmäßigkeit befreien und tatsächlich ambitioniert zu neuen Ufern aufbrechen – „Deutschland steckt in der Mitteltechnologiefalle“ (29.10.2025, faz.net).

Und dann gibt es noch eine Entwicklung, die mich frohlocken lässt! “Und plötzlich werden auch Führungskräfte ersetzbar“ (24.10.2025, handelsblatt.com), weil die KI dafür sorgt, dass es auch im Management weniger Herrschaftswissen und sehr viel mehr Wissenstransparenz gibt. Auch wird das den Berufsalltag in den Top-Etagen von Wirtschaft und Wissenschaft, Verwaltung und Politik neu definieren – wie radikal, werden wir erleben. Zentrale Aussage: „Das Entscheidende ist (…), dass die Menschen an der Spitze der Unternehmen die großen Themen selbst vordenken.“ Die Biotope für mittelmäßiges Denken verschwinden, originäre Ideen sind wieder gefragt. Die große Frage lautet: Wie entwickelt sich Deutschland in einem Europa, das weder domestiziert, noch kolonialisiert werden will?

Deutschlands neue Hightech-Agenda – Intelligente Innovationen für den Maschinenraum Europas? tatsächlich nachhaltig oder nur ein kurzes Strohfeuer? Hoffentlich nicht … (Foto: Autor)