Es gibt viele Arten von Armut! Da ist die materielle Armut, die sich als Mangel in der Befriedigung der körperlichen Grundbedürfnisse (Nahrung und Wasser, Kleidung und Wohnung, Gesundheit und Umwelt) ausdrückt. Aus solchen tragischen Umständen werden schnell existenzbedrohende Situationen. Wer nichts zu essen und zu trinken hat, stirbt infolge des Mangels.
Es gibt eine andere Art von Armut, die mir zunehmend Sorge bereitet. Das ist die Gedanken- und Mutlosigkeit in der Politik. Eine Form von Armut, die unsichtbar unsere Zukunft verbraucht, weil sie keine neuen Gelegenheiten generiert, sondern Ressourcen aufs Spiel setzt. So fällt die 100-Tage-Bilanz der schwarz-roten Regierungskoalition eher sparsam aus. Der erhoffte Reichtum an Reformen bleibt aus!
Der „Vorsprung für die Populisten“ (14.8.2025, faz.net) liegt auch darin, dass es in der Wirtschaftspolitik der Koalition keine Diskussion um neue Leitideen, Zukunftsentwürfe und Umsetzungskonzepte gibt. Das ist, was ich unter Armut durch Gedanken- und Mutlosigkeit verstehe. Dabei bräuchte es dringend eine Auseinandersetzung mit neuen Gedanken und mutigen Entwürfen für die Zukunft. Denn: „Wenn es eine lebhafte wirtschaftspolitische Debatte gibt, dann schadet das den Rechtspopulisten.“ (Timo Lochocki) Oder in Umkehrung eines Steve Bannons Spruches durch Mirko Lange „Flood the Zone with Sense!“
Deutschland braucht dringend die Aktivierung seiner kreativ-intellektuellen Potenziale. Davon gibt es doch genug in der Zivilgesellschaft, aber offenbar gibt es nicht genug Ventile, um diese Potenziale in produktive Bahnen zu lenken. Kreative Köpfe müssen öfter und lauter ihre Stimme erheben und besser zu Gehör kommen, auch jenseits der organisierten Politikstrukturen. Kriegen wir das nicht hin, wird unsere Gesellschaft wohl schon bald von einem Weltbild überzogen, das nichts mehr mit „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ gemein hat und sich derzeit aber wie ein Virus weltweit verbreitet.
Doch wie lässt sich ein solcher Aktivierungsprozess für ein neues positives Weltbild in Gang bringen? Sicherlich nicht durch das Wiederkäuen obsoleter Gewissheiten oder überholter „Geschäftsmodelle“. Es braucht in meinen Augen eine innovative Prozessqualität in der Wahrnehmung neuer Wirklichkeiten und der Gestaltung angepasster Denk- und Handlungsweisen. In meinem 3-phasigen Vorschlag unterscheide ich zwischen der Dechiffrierung – der Sondierung, was ist, was uns bedroht und wie Zukunft sein sollte –, der Rechiffrierung – Entwurf neuer Methoden für kreative Problemlösungen – und der Kodierung hin zu neuen Weltbildern. Ich bezeichne diesen Prozess als „Scientific Design Research“ und meine damit ein gestalterisches Konkretisieren und gesellschaftliches Aushandeln von Zukunft.
Es braucht ein „Big Picture“, ein Wimmelbild, das aus unendlichen, sich auch widersprechenden Details einen Weg in eine demokratische Gesellschaft bahnt, die wettbewerbsfähig und zukunftssichernd ist.
