In einer meiner Vorlesungen über Design und Innovation habe ich ein schwedisches Möbelhaus mit vier Buchstaben unter der Überschrift „Demokratisierung des Designs“ vorgestellt. Hatte das Unternehmen es doch geschafft, sehr gutes Design für den Wohnbereich zu Preisen anzubieten, die sich auch einkommensschwache Bevölkerungsgruppen leisten können. Heute würde ich diese Vorlesung so nicht mehr halten. Ich denke, man muss Unternehmen in ihrer komplexen Wirkung in unserer Gesellschaft bewerten. Und dann fällt die Analyse eines solchen Designs sehr viel kritischer aus. Eine so hohe Massenproduktion hinterlässt unweigerlich ihre Spuren in der (Um)Welt – sowohl im Verbrauch von Material als auch in der Entsorgung der Produkte. Kurzzeitiger Wohlstand auf Kosten anderer? Kritisch sehe ich auch die Konsequenzen derartig billiger Produkte, die immer weniger Respekt beim Rezipienten provozieren – wegschmeißen und neu kaufen sind die Reaktion. Langfristige Schäden auf Kosten anderer?
In unserer Demokratie muss die Designleistung von Unternehmen in ihrer gesamten Wirkung auf die globale Gesellschaft gesehen werden. Sich nur auf die materielle Seite, also auf das Produkt als Ergebnis eines Prozesses zu fokussieren, greift längst zu kurz. Eine arbeitsteilige Wirtschaft darf nicht dazu führen, dass am Ende keiner mehr Verantwortung für das „Große Ganze“ übernimmt. Wenn Design die „Haltung“ von Unternehmen ausdrückt und letztlich materialisiert, dann können sich auch DesignerInnen nicht mehr auf Form und Farbe reduzieren, sondern müssen Ethik und Moral in ihre Professionalität einbeziehen.
Ein gemeinsamer Nenner von Design und Demokratie besteht darin, dass beide auf der Zustimmung vieler Menschen beruhen. Produkte sollen wegen ihres Designs gekauft werden, sie sollen aber auch die Nicht-Käufer begeistern. Voraussetzung für dieses Streben nach größtmöglichen „Zielgruppen“ sind Neugier und Weltoffenheit, in der kulturelle oder gar soziale Ressentiments keinen Platz haben.
An der Genese einer Designlösung sind viele Menschen beteiligt, die mit ihrem Wissen und ihren Visionen einen wesentlichen Input leisten. In der Praxis solcher Prozesse finden Partizipation und Präskription statt. Letztere steht für wertegeleitete Annahmen mit Perspektive auf die Zukunft. Im Design sind immer wieder Entscheidungen zu treffen, die weit in die Zukunft reichen und mit hoher Verantwortung für Mittel und Mitarbeiter, für Innovationen und damit auch für Investitionen verbunden sind. Hier braucht es eine Entschlossenheit, die auf der Fähigkeit zur philosophisch-politischen Prognose beruht. Das kann zu einer Gratwanderung zwischen Autokratie und Expertokratie in Unternehmen werden. Hier sind Transparenz und Nachvollziehbarkeit gefragt!
Will Design nicht nur marktwirtschaftliche Dienstleistung sein, dann muss es selbst verstärkt „Haltung“ zeigen. Es müssen politische Positionen zu zukunftsrelevanten Themen unserer Demokratie bezogen werden. Yes, we can!
