Das Synonym erfolgreicher Kreativität

Ja, da kam er – mein Alptraum. Ich stehe in einem Stau hinter einem „Bauern-Tanker“ und plötzlich ergießt sich die Gülle auf mein schickes Auto. Erst nur auf die Außenhaut des Wagens und dann dringt die Gülle auch in den Innenraum … Gott sei Dank, wache ich dann auf. Ich interpretiere diesen Traum als Zeichen, dass sich offenbar mein schlechtes Gewissen in meinem Unterbewusstsein mit Schadenfreude eingerichtet hat. Ob es die Rache der Natur an den Artefakten ist? Immerhin ist die Domäne der DesignerInnen doch zu einem erheblichen Anteil an Qualität und Quantität dieser künstlichen Welt beteiligt. Tja, wer weiß …

Als ich den Artikel „Warum ist deutsches Design so hässlich?“ (27.3.2025, faz.net) von Niklas Maak las, fiel mir mein Alptraum wieder ein. Auch weil sich die Kritik auf das Autodesign konzentrierte. Irgendwie hatte ich nach dem Lesen den Eindruck, dass sein Text eher eine Generalabrechnung mit dem „German Design“ ist. So wird schon im Intro die Frage gestellt, ob „das Design in einer seiner größten Krisen steckt?“ Wenn ja, dann befindet sich das Design in guter Gesellschaft – reichen doch die Themen der existenziellen Krisen von der Zunahme an Autokratien bis hin zur Abnahme überlegter Zukunftsgestaltung. Man darf in diesem Kontext getrost nach der global-gesellschaftlichen Relevanz von Design fragen. 

Der Text bringt eine seit langem andauernde Entwicklung kritisch auf den Punkt – nämlich, dass Design sehr viel mehr ist als das, was die DesignerInnen machen. So ist die Krise des Autodesigns eine Krise der deutschen Autoindustrie, die gerade ihre Ohnmacht gegenüber der Macht von Kompetenz chinesischer Autobauer kennenlernt. Vielleicht hat es eher an Demut statt an Design gemangelt?! Wie dem auch sei, Design ist zum Synonym erfolgreicher Kreativität geworden und damit zum Auszeichnungsmerkmal unserer artefiziellen Welt. Hinter dem Phänomen Design versammeln sich inzwischen die Innovatoren aus Technik und Management, aus Kultur und Politik. Design ist zum Synonym einer kollektiven Spitzenleistung geworden! Schade, dass die Profession der DesignerInnen dies nie aufgegriffen hat und in ihrem Geniekult stecken geblieben ist.

Deutlich wird dies an der Nostalgie, die heraufbeschworen wird, sobald es um die Bedeutung von Design geht. Immer wieder wird dann auf die „Bauhaus-Tradition und die Ulmer Schule“ verwiesen. Ganz sicher sind die Leistungen dieser beiden Institutionen von historischem Wert, aber wir leben schon längst in einer völlig anderen Welt und haben es versäumt, ein neues philosophisch-kulturelles Wertesystem zu entwickeln. Und selbst die erwähnten zehn Thesen für gutes Design von Dieter Rams sind inzwischen über 50 Jahre alt. Wenn eine Disziplin für Zukunftsgestaltung von den Meriten ihrer Vergangenheit lebt, verzehrt sie ihre eigene Substanz.

Das Essay ist lesenswert. Es liefert reichlich Gründe, warum ZukunftsgestalterInnen über ihre eigene Zukunft kritisch diskutieren sollten.

Meine Meinung zu „Warum ist deutsches Design so häßlich?“ Bild aus „Parkleuchten 2023“ im Essener Grugapark (Foto: Autor)