Als Kind wurde ich so erzogen, dass ich ruhig zu sein habe, wenn sich Erwachsene unterhalten. Und mich im Hintergrund zu halten habe. Das ging damals vielen Gleichaltrigen in ihren Familien genauso. Ob ich mich davon befreien wollte? Ist das der Grund, dass ich heute meinem Mund so viel Gelegenheiten der Meinungsäußerung gebe? Aber möglicherwiese ist es gar nicht die Erziehung in der Kindheit, sondern der Eindruck, dass mir die momentanen Entwicklungen „an die Nieren gehen“. Noch ist es nicht so, dass ich mich als Bürger dieses Landes angefasst fühle. Aber zunehmend empfinde ich, dass viele Ereignisse meinen Werten und Prinzipien widersprechen, die mich in den vielen Dekaden meines Lebens geprägt haben. Freizügigkeit, Toleranz, Loyalität, Solidarität, Demokratie, soziale Marktwirtschaft, menschengerechte Zukunftsgestaltung, um nur die wesentlichen zu nennen. Hierzu gehört auch eine Form des Wohlstands, der aber nicht auf Überfluss und Verschwendung basiert, sondern Angemessenheit als Prinzip hat. Und als Designer sind für mich Innovationen im Sinne eines gesellschaftlichen Fortschritts wichtig.
Mich erschreckt zunehmend eine Grimasse von Zeitgeist, die beginnt, auch mein Leben zu berühren!
Irgendwann in den letzten Jahren fing ich an, meinen Radius vom Design ausgehend immer weiter zu vergrößern. Die Gestaltung von Produkten beeinflusst den Konsum, dieser wiederum führt zu Vergrößerung die Mülldeponien und alles endet in Klimakrise. Dann ist da noch die „Never ending Story“ der Bildung. Manchmal denke ich, hier wird nur noch geredet und nichts getan. Deutschland hat viele hausgemachte Baustellen – entstanden durch Verdrängen und Liegenlassen.
Vor einigen Jahren begann man – auch im Design – so ganz schüchtern, im Kontext von Wirtschaft und Unternehmen eine „Haltung“ einzufordern. Ich fand den Begriff und seine Erläuterungen diffus und schwer handhabbar. Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass man seine eigene „Haltung“ definieren und kundtun sollte, ehe man von anderen dies erwartet.
So begann ich dann mit der Formulierung meiner Haltung zum Zeitgeist. Daraus entstand eine Reihe von Essays zu Topics wie Wohlstand, Bildung, gesellschaftlicher Ehrgeiz, Marktwirtschaft, Transformation und – wie könnte es auch anders sein – zum Zukunftsdenken. Meist korrespondieren sie mit aktuellen Ereignissen und versuchen, mir aufgefallene „Merkwürdigkeiten“ zu beschreiben und zu bewerten. Ob das immer gelungen ist, müssen die LeserInnen entscheiden. Mir jedenfalls hat die intellektuelle Auseinandersetzung Spaß gemacht.
Für mich sind diese Essays so etwas wie „Zwischenrufe“, die sich an kritisch-konstruktive Nach-, Mit- und VordenkerInnen wenden, die zum Widerspruch aufgefordert sind. Ich denke, gerade unsere Zeit braucht jetzt einen intensiven Diskurs. Wegducken ist keine Option! Im Wort Haltung steckt übrigens das Wort „Halt“ …