Es gibt eine Form von Ordnung, die ist langweilig. Und es gibt eine Form von Chaos, die den Menschen überfordert. Irgendwo dazwischen gibt es einen Grad von Komplexität, der inspiriert und herausfordert. Wo genau der Korridor liegt, in dem man kreativ sein kann, muss jeder für sich selbst herausfinden. Dabei geht es in erster Linie nicht um den Zustand des Schreibtisches, an dem man arbeitet. Vielmehr ist es die gesamte Umgebung, die entweder nervtötend ist oder aber konstruktiv und produktiv wirken kann. Offen bleibt ohnehin die Frage, ob es „Kreativität auf Abruf“ überhaupt gibt. Und lässt sich Kreativität tatsächlich mit dem Heureka-Moment gleichsetzen? Und entsteht Kreativität nur in Workshops, die unter der künstlerischen Leitung besonderer Gurus stehen?
„Ein unordentlicher Schreibtisch ist ein Zeichen für Kreativität. Stimmt´s?“, fragt ein Artikel auf zeit.de (28.4.2025). Schaue ich mir das Key Visual an und stelle mir vor, dort arbeiten zu müssen, wird mir eher übel. Ob sich Bilder zur Kreativität immer in den klassischen Klischees bewegen müssen?!
Ordnung vs. Chaos = Komplexität
Wie dem auch sei, Kreativität oszilliert zwischen Ordnung und Chaos. Allerdings ist das weniger sichtbar, sondern vollzieht sich im Kopf und im Bauch, in der Seele des Kreativen. Dort entsteht in der Auseinandersetzung mit einem Thema eine Komplexität, die sich je nach Art des Problems und der dazugehörigen Lösung entwickelt. Im professionellen, nicht-künstlerischen Bereich spielen Intervention und Interaktion im Team eine große Rolle. Je nach Qualität der Beziehung zwischen den Menschen können hier exponentielle Verläufe in der Produktion von Ideen entstehen. Grundvoraussetzung allerdings dafür ist, dass man sich gegenseitig vertraut – und auch dem anderen etwas zutraut.
Statik vs. Dynamik = Organisation
Was für das Individuum Chaos und Ordnung sind, um zu einer notwendigen Komplexität des Wissens zu gelangen, ist für die Organisation Statik und Dynamik, um zu intervenierenden Prozessen zu kommen. Während Statik für verlässliche Strukturen sorgt, braucht es Dynamik für die permanente Erneuerung. Das Individuum leistet in seinem Kollektiv impulshaltige Kreativität, damit anschließend die Organisation mit ihren (ökonomischen) Mitteln die Innovationen in den Markt der Angebote respektive in den Alltag der Menschen bringt. Dabei gilt es, die Balance zwischen Ordnung und Chaos, zwischen Statik und Dynamik herzustellen. Misslingt dies, entwickeln sich häufig bürokratische Hürden, die die Kreativität ausbremsen. Gelingt es aber, dann schlägt das Wissen des Einzelnen seine Wurzeln in der Organisation. Bekanntes verknüpft sich mit Unbekanntem, und Neues beginnt zu wachsen.
Kreativität braucht das wissbegierige Individuum, während Innovation nur in einer ambitionierten Organisation gedeiht. Beides wächst in einem produktiven Ökosystem, das nicht nach Kontrolle, dafür aber nach einem breiten, strukturierten Korridor verlangt. Kreativität braucht keine Schreibtische, sondern offene Denkräume!
