Anti-Lexikon: Der Vernunft ein Biotop

Schweißgebadet schreckte ich mitten in der Nacht auf. Ich träumte, dass die Wahlen in Deutschland stattgefunden haben und sich nach Verhandlungen zwischen den demokratischen Parteien keine Regierungskoalition bilden ließ. Boah, ein Alptraum! Ich schlief wieder ein und träumte weiter. Die CDU ersetzte Merz durch Wüst, bei der SPD gab Scholz den Staffelstab an Pistorius und bei den Grünen übernahm Göring-Eckardt, weil Habeck der nächste UN-Generalsekretär werden sollte. Und tatsächlich, auf einmal fand sich eine Regierungskoalition. Keine Selfies, sondern ein Programm, das strukturelle Reformen zum zentralen Anliegen der Legislaturperiode machte. Nee, dachte ich, dass ist einfach nur ein schöner Traum! So viel Vernunft bei deutschen PolitikerInnen gibt es nicht! Ich war so aufgekratzt, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Zur Entspannung gab es eine Tasse Kamillentee und ich hörte mir die Staumeldungen im Verkehrsfunk an …

Wie die Realität in der Politik aussieht, haben wir in der letzten Januar-Woche einmal mehr erleben dürfen. Man lässt die Muskeln spiegeln, spukt große Töne, verteilt reichlich Placebos und ist in der Sache keinen Zentimeter weitergekommen. Schuld sind immer die anderen, man selbst war erfolgreich. In den Talkshows läuft nur noch „Und ewig grüßt das Murmeltier“ und Donald Trump macht mit dem Flipper-Automaten MAGA-Politik. 

Als Erfinder der „Professur für sinnlose Sinnstiftung“ (siehe Anti-Lexikon Teil 2) habe ich in der letzten Zeit registriert, dass inzwischen Politik hier zu Lande überkompliziert („Zustrombegrenzungsgesetz“) und gleichzeitig unterkomplex (weltweite Flüchtlingsbewegungen) ist. Aber wen interessiert das überhaupt? Ja, es gibt sie, die Menschen mit Idealismus. Sie arbeiten in Sportvereinen, bei NGOs und man findet sie an der Basis der demokratischen Parteien. Es gibt sogar Reiche, die höher besteuert werden wollen und sogar Beamte, die das System kritisch hinterfragen. Ich ziehe vor ihnen meinen Hut! Ich sehe aber auch, dass eine gewisse Erschöpfung zu erkennen ist.

Texte wie dieser hier und andere Essays im „Anti-Lexikon für Outsidetheboxthinker – Teil 2“ versuchen die Poesie der Gedanken mit der Realität der Gesellschaft zu verknüpfen – im Respekt vor der Zukunft. Ohne Respekt vor der Zukunft gibt es keine ehrenvolle Vergangenheit. Vielleicht deshalb fallen meine Essays in das Rubrum der sinnlosen Sinnstiftung. Sie werden vom Orkus aufgenommen und in Form von Blähungen wieder ausgeschieden. Vielleicht muss ich erkennen, dass ein neues Zeitalter angebrochen ist – nämlich das der sinnstiftenden Sinnlosigkeit. Wir versuchen hier unseren CO2-Fußabdruck zu minimieren und der reiche Onkel in Amerika gibt den Elefanten im Porzellanladen und trompetet fröhlich „Drill, Baby, drill“. 

Der Vernunft ein Biotop – zu schön, um wahr zu sein. Ob die UNESCO demnächst ein Weltnaturerbe dafür schafft? Wenigstens ein immaterielles Weltkulturerbe wie der Reggae in Jamaika müsste doch drin sein …

Texte zu den selbstgebastelten Problemen Deutschlands (Bildquelle: Eigenes Foto)