Leerbuch: Zukunft kreieren, nicht konsumieren!

Leerbuch – ja, Sie haben richtig gelesen. Leerbuch deshalb, weil der kreative Mensch hier seine eigenen Lehren entwickeln soll und nicht nach Rezept lernt zu kreieren. Es geht um Leerstellen für Lehrräume! Ein Baugerüst fürs Denken – das Design des Gebäudes der Zukunft muss noch erdacht werden …

Zukunftsgestaltung hat es gerade in Deutschland nicht einfach. Liest man den FAZ-Beitrag (1.9.2024) „Deutschland steht still“ von Michael Hampe, kann man nur auf den Prinzen hoffen, der das Dornröschen wach küsst. Andernfalls bleibt uns nur der kollektive Tiefschlaf. Der Optimismus bleibt auch auf der Strecke, wenn man von dem gerade verkündeten Ende des „The New Institute“ hört. War doch der private Thinktank von Erck Rickmers gegründet worden, um internationale DenkerInnen neue Konzepte für den Klimawandel und die Zukunft der Demokratie entwickeln zu lassen („Ende einer Idee“, zeit.de 1.9.2024). Leicht depressiv kann man werden, wenn man das Handelsblatt Morning Briefing (Christian Rickens) vom 3.9.2024 liest. Es beginnt mit „So kann es nicht weitergehen“. Alle politischen Parteien singen demnach das hohe Lied der Veränderung, aber meinen immer die anderen, die sich zu wandeln haben. Man selbst ist mit sich im Reinen?!

Für mich, der sich in Forschung und Lehre auf Design und Management fokussiert hat, ist Entwicklung, Veränderung, Transformation völlig selbstverständlich, weil Gegenstand des Handelns. Als Designwissenschaftler galt für mich immer das Bonmot von Friedrich Schiller (1759-1805): „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Mein Credo lautet daher, dass ich nicht für die Praxis ausbilde, sondern für die Zukunft. Praxis ist Gegenwart und irgendwie von gestern. Die Halbwertzeit von Wissen bestätigt das. Nach meiner Einschätzung wird im Design zu viel Zukunft konsumiert und zu wenig kreativ Zukunft entworfen. 

Wenn DesignerInnen heute die Hochschule verlassen, werden sie rund 40 Jahre erwerbstätig sein und dabei vier bis sechs unterschiedliche Karrieren durchlaufen. Wie aber schafft man ein Curriculum für DesignerInnen und befähigt sie, Zukünfte zu entwerfen, die man heute noch nicht kennt? DesignerInnen sind ZukunftgestalterInnen! Im Unterschied zum klassischen Designverständnis, das auf das materielle Ergebnis des Entwerfens konzentriert ist, ist Zukunftsgestaltung auf ergebnisoffene, immaterielle Planungsprozesse eingestellt. Auch reduziert sie sich nicht auf die Auftragnehmer-Auftraggeber-Beziehung, sondern stellt die professionelle Substanz und die gesellschaftliche Relevanz in den Vordergrund. 

So ist der erste Teil meines „Leerbuch für kreative ZukunftsgestalterInnen“ entstanden, das statt der Richtigkeit des Tuns die Wichtigkeit des Denkens priorisiert. Je komplexer die Welt wird, desto größer die Herausforderung an den menschlichen Geist. Meine Erkenntnis: Die Lösung findet sich nicht im Problem, sondern im Problemlöser.