Männer und Frauen – Geht da noch was?

Ach, wie gerne würde ich doch mit Studierenden für ein Semester einen interdisziplinären Thinktank bilden und mit ihnen das Thema „Relaunch des Markenkerns der Sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland“ bearbeiten. Wir würden ein solches Projekt zweiteilen und zuerst herausarbeiten, wie groß aktuell das Delta zwischen dem ist, was sich die Politik gedacht hat, als sie die Soziale Marktwirtschaft implementierte, und der heutigen Situation. Im Anschluss an die Analyse würde entwickelt, wie denn diese Wirtschaftsform in Zukunft aussehen könnte. Als didaktisches Konzept für den Einstieg in ein solches Projekt würde ich das Buch „Männer & Frauen passen einfach nicht zusammen“ von Loriot nehmen. Ich denke, dass es für eine ernsthafte Auseinandersetzung eine witzige und geistreiche Beschreibung von kognitiver Dissonanz braucht, um ein Verständnis für grundsätzliche Gegensätze zu bekommen. Was nach meiner Einschätzung sowohl für die Ehe als auch für die Sozial- und Wirtschaftspolitik unserer Demokratie gilt.

Wenn wir über die Zukunft unserer Gesellschaft nachdenken und sprechen wollen, dann geht das nur, wenn man versucht, das alles ganzheitlich zu sehen. Gesellschaft ohne Wirtschaft im Kopf zu haben, ist genauso wie Wirtschaft ohne Verantwortung und Verpflichtung zu diskutieren. Diese gegenseitige Verflechtung zeigt sich auch auf der Zeitachse – von der Währungsreform über die Subventionierung von E-Autos bis hin zu den Kosten der Transformation. Auch gilt es die innere Verfasstheit unserer Gesellschaft im Zusammenspiel mit ihrer Außenwelt – sei es die Situation in der EU, die Entwicklungen in den USA und unser Verhältnis zu China und Russland – zu analysieren. Und dann haben wir noch die Folgen des Klimawandels, der am Ende geo-politische Verwerfungen struktureller Art verursachen wird. Akzeptieren wir diese Komplexität, werden wir feststellen, dass der „wirtschaftspolitische Markenkern des Landes“ gehörig unter Druck steht. 

Nach meinem Eindruck lässt sich nicht mehr leugnen, dass prinzipiell etwas aus den Fugen geraten ist. Nehmen wir die Bauindustrie, die keine Wohnungen mehr baut, weil die Kosten so hoch sind, dass sie nichts mehr daran verdienen kann. Beißt die Katze „Kapitalismus“ sich hier in den eigenen Schwanz? Oder hat hier der Staat mit seinem ordnungspolitischen Rahmen versagt? 

Wie erhält sich eine Nation, die die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ist, ihren Markenkern, den sie als „Soziale Marktwirtschaft“ umschreibt? Immerhin sollte der Markenkern eine gewisse Verbindlichkeit haben und in seinen Werten eigenständig und vorbildlich sein. Es wird allerhöchste Zeit, dass wir das Oxymoron der sozialen Marktwirtschaft neu aushandeln und definieren. Warum? Weil die Erfinder wollten, dass sich eine Gesellschaft wie die unsrige in Balance befindet und nicht radikalisiert. Männer und Frauen – Geht da noch was?

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/soziale-marktwirtschaft-kommentar-ampel-1.7252656

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