Dass Design ein Studienfach wachsender Beliebtheit ist, zeigen Statistiken. Aber erst ein genauerer Blick hinter die Zahlen offenbart die stille Revolution, an der Design als Protagonist mitwirkt. Ist die Disziplin doch zu einer wichtigen Co-Wissenschaft für viele Fächergruppen geworden. So sind zahlreiche neue Studiengänge mit Design-Beteiligung entstanden, die sich interdisziplinär-innovativen Themen widmen. Und das hat durchaus seine Logik. Die Probleme der Welt werden komplexer, Lösungsstrategien müssen multidisziplinär ansetzen. Innovation findet vor allem dort statt, wo Disziplinen sich aneinander reiben.
Und so ergab meine quantitative Analyse von Designstudiengängen auf Grundlage der HRK-Datenbank (vgl. Kern 2020: 99ff.): Bereits jeder dritte Studiengang im Design lässt sich nicht mehr den traditionellen Konzepten zuordnen, sondern ist auf Zukunftsthemen aus fachübergreifender Sicht gerichtet. Genauer gesagt: Während rund 330 Studiengänge dem traditionellen Designverständnis verpflichtet sind – orientiert an künstlerischem Verständnis, klassischer Entwurfsarbeit und subjektivem Gestaltungsanspruch –, lassen sich schon rund 180 Studiengänge finden, die in interdisziplinärer Vernetzung Neuland betreten. Sie markieren einen Bereich im Studienangebotsspektrum, der als Innovationszone zu charakterisieren ist.
So ist Design Co-Wissenschaft in den Ingenieurwissenschaften, wenn etwa Studiengänge als „Maschinenbau und Design“ firmieren, aber auch in Mathematik und Naturwissenschaften, z.B. betitelt mit „Computervisualistik und Design“. Neue Fragestellungen werden auch in den Wirtschaftswissenschaften aufgeworfen, etwa im Studiengang „Design- und Innovationsmanagement“. Und wenn in den Sprach- und Kulturwissenschaften ein Studiengang wie „Animation and Game“ entwickelt wird, sind ebenfalls interdisziplinäre Perspektiven zu erwarten. Ebenso, wenn in den Sozialwissenschaften ein Studiengang namens „Zukunftsdesign“ konzipiert und angeboten wird.
Schon eine kursorische Durchsicht der verschiedenen interdisziplinären Studiengänge verdeutlicht, dass viele der Studienkonzepte, oft noch jüngeren Datums, einen innovierenden Anspruch verfolgen. Häufig stehen neu gegründete staatliche Hochschulen oder private Bildungsanbieter hinter den innovativen Konzepten. Es scheint also berechtigt, von einer Innovationszone zu sprechen, in der kontinuierlich ein Teilbereich klassischen Designs zu einem Spektrum interdisziplinär-innovierender Studiengänge erweitert wird.
Doch dieser Umbruch vollzieht sich bisher weitgehend unbemerkt. In der Designdomäne gelten solche Studienangebote vermutlich als Exoten, als vernachlässigbare Randerscheinung. Es mag paradox klingen: Doch gerade außerhalb des Designs wird offenbar das Potential der Disziplin erkannt. Die neue Rolle, die Design in der verwissenschaftlichten Arbeitswelt einnimmt, wird für die Entwicklung neuer Studienkonzepte genutzt: Design entwickelt sich von seinem früheren Auftrag als materieller Konsum-Gestalter zum generellen Problemlöser für Gesellschaft und Umwelt. Es wird zunehmend nicht mehr mit seiner künstlerischen Subjektivität, sondern mit seiner wissenschaftlichen Rationalität gefordert. Es überwindet immer häufiger die Grenzen seines disziplinären Reservats und arbeitet interdisziplinär und kollaborativ an Zukunftsthemen. Und das Design? Es ist höchste Zeit, die eigene Betriebsblindheit zu überwinden und sich aktiv in diese Prozesse einzubringen …