Nein, Deutschland hat kein Strategieproblem! Zumindest beim Verfassen von Strategiepapieren, die dann unbeachtet als bloße Makulatur in Schubladen vergilben. Wohl aber hat Deutschland ein Mentalitätsproblem. Wir warten darauf, dass uns einer sagt, wo es lang geht. Keine gute Voraussetzung für Strategieentwicklung: Hierfür braucht man nämlich entweder eigene Erkenntnis oder Leidensdruck, um zu verstehen, dass der alte Kurs nicht mehr passt und eine Veränderung, also strukturelle Eingriffe, dringend erforderlich ist. Am Ende wissen alle um die Bedeutung der Erneuerung und haben eine Vorstellung ihrer Zukunft. Wichtige Voraussetzungen für eine konsequente und zielführende Umsetzung.
Von all dem sind wir meiner Meinung nach weit entfernt. Von kollektivem Aufbruch keine Spur! Im politischen Raum wird zu viel gezankt und gemeckert, sich in der eigenen Komfortzone versteckt und mit dem Finger auf andere gezeigt – es mangelt an gemeinsamen Spirit. Vielleicht erklärt das diese „Mehr-desselben“-Politik, die eigentlich nur Everybody‘s Darling sein will.
Warten wir auf klare Ansagen von übergeordneter Stelle? Der Plot für die Einführung der Marktwirtschaft nach 1945 wurde von den Amerikanern geschrieben, die auch für die Umsetzung sorgten. Der Etatismus wurde zwar grundsätzlich verbannt, kehrte aber still in Form einer Bürokratie zurück, die sich auf der Suche nach der eigenen Perfektion befindet.
Dem könnte man ja noch etwas Positives abgewinnen, wenn es das Genom der Professionalität in diesen Strukturen geben würde. Beispiel: Das Problem des Mangels an LehrerInnen ist keine Naturkatastrophe, sondern lässt sich durch Abzählen vorhersagen. Ich bin mir sicher, dass es zum Bedarf schon früh recht exakte Zahlen gab. Fast schon komisch ist in diesem Kontext, dass gleichzeitig die Wirtschaft unter Fachkräftemangel leidet. Auch hier denke ich, dass ein Blick in die Altersstruktur der Erwerbstätigen genügt hätte, um vorausschauend zu agieren. Wenn eine solche Routinetätigkeit schon als „Strategieproblem“ gewertet wird, dann hätte das Handelsblatt recht.
Nein, irgendwie hat sich so eine volkswirtschaftliche „Geiz-ist-geil“-Mentalität eingeschlichen, die jede Form von vorausschauender Planung im Keim ersticken lässt. Natürlich brauchen zusätzliche LehrerInnen ein Budget im Landeshaushalt und selbstverständlich kostet ein Personalentwicklungsplan den Unternehmen Geld. Und genau das wollten bzw. wollen sich alle sparen! Investitionen, die keinen schnellen oder gar keinen Cash-flow generieren, sind so geliebt wie Bettwanzen.
Strategieprobleme? Ich denke uns fehlen Menschen, die eine natürliche Lust auf die Terra Incognita eines aktualisierten, eines progressiven Wirtschaftssystems haben, das nicht seine eigene Substanz verzehrt. Menschen, deren Mentalität sich an „Nichts ist unmöglich“ orientiert und für die Regelwerke immer nur eine vorläufige Gültigkeit haben.