Anpassung? As soon as possible!

Fast beiläufig kommt der Text daher und signalisiert Zurückhaltung. Der Artikel ist so knapp gehalten, dass man ihn fast überblättert. Seine Headline ist staubtrocken und brüllt den Leser nicht an. Geschrieben ist der Beitrag sachlich bis nüchtern und mit Zahlenmaterial gespickt. Die Rede ist vom Artikel „Neue Anforderungen der Arbeitswelt“ im Handelsblatt vom 17. Juli 2023. Autorin ist die Geschäftsführerin des Weltwirtschaftsforums (WEF). Saadia Zahidi beschreibt unaufgeregt die folgenschweren Veränderungen der Arbeitsplätze durch KI, Nachhaltigkeit und Deglobalisierung. Für mich stellt sich die Frage, welche Konsequenzen dies für die Hochschulbildung hat. Was muss sich ändern, damit junge Menschen im künftigen Arbeitsmarkt Chancen haben?

Wenn die Aussagen des WEF zutreffen, dann wird es hochdramatisch. Und natürlich wird es – wie bei jedem Strukturwandel – Gewinner und leider auch Verlierer geben. Um zu verstehen, welche Umwälzungen mit konkreten Konsequenzen anstehen, muss man diese nicht nur sachlich antizipieren, sondern auch in einem plastisch-anschaulichen Szenario visualisieren und breiter diskutieren. Wenn logisches Denken, Kommunikationsaufgaben und koordinierende Tätigkeiten zunehmend automatisiert werden, dann braucht der Arbeitsmarkt wesentlich weniger Führungskräfte und ProjektmanagerInnen. So könnte etwa der Beruf des Technischen Redakteurs oder Übersetzers ganz verschwinden. Wenn sich in allen Jobs knapp die Hälfte (44%) der bisherigen Qualifikationen verändern, müssen notwendigerweise alle Berufsprofile neu geschrieben werden – und damit auch die Curricula in den Hochschulen. Und zwar: As soon as possible! Angeblich legen deutsche Unternehmen bei Weiterbildung den Fokus auf „analytisches Denken, KI und Big Data sowie kreatives Denken.“ Ob das so ist? Meine partikularen Erfahrungen sprechen dagegen. Aber selbst wenn das der Fall wäre, bleibt zu wünschen, dass es sich um ambitionierte Konzepte handelt, deren Umsetzung entsprechend konsequent ist.

Spannend finde ich den Absatz: „Für die Studierenden von heute werden analytische und zwischenmenschliche sowie die Fähigkeit, Technologie zu verstehen und mit ihr zu arbeiten, entscheidend sein. Jeder Student – unabhängig von der gewählten Fachrichtung – sollte diese generalistischen Fähigkeiten erwerben.“ Aufgrund meines eigenen Berufswegs kann ich das nur unterstreichen, auch wenn ich als Hochschullehrer meine Zweifel mit Blick auf die Umsetzung habe. Zwar sind meine persönlichen Erfahrungen nicht repräsentativ, aber auch keine der berühmten Einzelfälle. An fast allen Hochschulen herrscht die Doktrin der fachwissenschaftlichen Priorisierung in den Curricula. Und jeder Versuch, diese zu aktualisieren oder gar Lehrinhalte wegzustreichen und für überholt zu erklären, kommt einer Palast-Revolution gleich. Hoffnungslos! Schauen wir mal, wie dieser Kulturkampf in der akademischen Welt weitergeht …

Bildquelle: Eigenes Bild