Vom Unglück des Besitzens

Die Gegenwart überfordert ständig! Einerseits ist es der kürzeste Moment im Leben. Ist er doch gleich wieder Vergangenheit. Andererseits kennen wir nichts als Gegenwart, die sich laufend fortsetzt. Vielleicht ist das der Grund, warum wir uns sagen: „Nie wieder ist jetzt!“. Vergangenheit wird schnell vergessen. Und Zukunft scheint allenfalls ein Thema zu sein, wenn es um „Enkelgerechtigkeit“ geht – Zukunft muss wohl persönlich werden! Ich denke, jeder einzelne muss sich verantwortlich fühlen, um Lehren aus der Vergangenheit und die Konsequenzen für das Handeln in der Zukunft zu ziehen.

Unsere Gegenwart ist so hoch differenziert, dass man sich am liebsten der Wahrnehmung verweigern möchte, um sich zu schützen. Gegenwart ist so dynamisch, dass sich Kausalitäten immer weniger erkennen lassen. Die Gleichzeitigkeit dessen, was passiert, ist voller verwirrender Widersprüche. Und schließlich ist Gegenwart hoch vernetzt, weil alles miteinander zusammenhängt. Letzteres wird am deutlichsten, wenn wir uns klarmachen, dass es nur den einen Planeten gibt, auf dem wir alle noch möglichst lange leben wollen. Und zwar in Frieden und Wohlstand!

Gegenwart, eine klumpende Emulsion aus verkehrter Vergangenheit und verwehrter Zukunft? Nehmen Sie die Diskussion um die „Schuldenbremse“ und den „Earth Overshoot Day“. Seit dem 2. Mai 2024 lebt Deutschland ohne schlechtes Gewissen auf Ressourcen-Pump – wir verbrauchen mehr, als uns die Natur zur Verfügung stellt. Es braucht intelligente Investitionen in Innovationen, um das Datum des nationalen Erdüberlastungstags in Richtung Jahresende zu verschieben. Dies scheint aber offenbar an der Schuldenbremse zu scheitern. Verschwendung vs. Geiz? 

Gleichzeitig müllen sich immer mehr Menschen mit Krusch und Kram in ihrer Wohnung so zu, dass sich daraus ein neues Geschäftsmodell entwickelt hat – Aufräumberaterin. Es fehlt der Mangel am Mangel! Dabei ist der sichtbar extensive Konsum auch für den frühen Earth Overshoot Day in unserem Land mitverantwortlich. Interessant, wie wir Menschen allzu „verständnisvoll“ mit unseren Schwächen umgehen. Als wären sie nicht logische Folgeerscheinungen der Überflussgesellschaft. Bedenken sollte man dabei auch, dass die Wohnfläche je Einwohner in Deutschland von knapp 35 qm 1991 auf über 47 qm 2022 gestiegen ist. Wieviel Konsummüll à la Temu und Shein passen wohl noch hinein? Und wenn der Wohlstandsmüll aus der Wohnung verschwindet, bleibt er weiterhin ein Problem auf dem Wertstoffhof. So wird aus dem Glück des Benutzens das Unglück des Besitzens!

Wie sehr wir diese Form des ganz normalen Wahnsinns unserer Wohlstandgesellschaft inzwischen akzeptiert haben, zeigte in diesen Tagen eine Fernsehwerbung für eine der sogenannten „Frauen-Zeitschriften“. Die neue Ausgabe wurde mit einer einwöchigen Abnehmdiät beworben und gleichzeitig wurde das dazugehörige Supplement gefeiert, das tolle Rezepte für leckere Torten enthielt …

https://www.faz.net/aktuell/politik/earth-overshoot-day-deutschland-lebt-ab-donnerstag-auf-ressourcen-pump-19693397.html

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Bildquelle: Eigenes Bild