Lernende Vision mit langfristiger Verantwortung

Ein alter, angeblich militärischer Führungsgrundsatz lautet: Verantwortung ist nicht teilbar! Ich denke, da ist was dran. Wenn jeder nur einen kleinen Teil der Verantwortung trägt, könnte schnell das Verständnis für das „Große Ganze“ verloren gehen. Andererseits darf es nicht dazu kommen, dass sich die Verantwortung auf den Schultern einzelner Personen wiederfindet und alle anderen Menschen betrachten sich damit als entlastet. Nicht umsonst hat das klassische Hierarchiemodell der Wirtschaft durch die dramatisch gestiegene Komplexität unserer Gesellschaft auch seine Grenzen aufgezeigt bekommen. Wie dem auch sei, am Ende kann sich jedenfalls keiner „seiner“ Verantwortung entziehen – wir (die Menschheit) sind keine Gemeinschaft mit beschränkter Haftung!

Wenn wir also immer öfter und jetzt auch nachdringlicher über Transformation sprechen, müssen wir unweigerlich das Thema der Innovation mitdenken. Und hierbei wird der wirtschaftlichen Betrachtung eine sehr hohe Bedeutung zukommen. Wenn weiterhin primär das Kosten-Nutzen-Paradigma der klassischen Ökonomie durch die Brille der Wettbewerbsfähigkeit gesehen wird und das Fortschrittsprimat der Technologie dominiert, werden wir gesellschaftlich den Sprung in die neue Zeit nicht schaffen. Nach meinem Verständnis gibt es eine kritische Verantwortungsdifferenz zwischen der Betriebs- und der Volkswirtschaft. Was sich einerseits fürs Unternehmen rechnet, kann künftig für die Gesellschaft ein teures Vergnügen werden. Begriffe wie „Ewigkeitskosten“ bringen das auf zynische Art und Weise auf den Punkt. Es ist an der Zeit, dass wir wirtschaftliche Paradigmen bis zum Ende denken. Und nicht nur so lange rechnen, wie die Innovationen fürs Unternehmen wirksam sind und unmittelbar Geld verdienen. Das Postulat des Profits darf nicht zum Bias der Betriebswirte werden, sondern muss von langfristiger Verantwortung und lernender Vision geprägt werden. Die Wirtschaftsdisziplinen stehen vor einer doppelten Aufgabe: Den Beitrag der Ökonomie für Transformation und Zukunftsgestaltung kritisch erforschen und progressiv neu definieren. Und dabei die Zukunft der eigenen Disziplin verantwortlich mitgestalten – z.B. als ökonomische Verortung ökologischer Relevanz in Wertschöpfungsprozessen und Lieferketten. Oder als sozio-kulturelle Folgenabschätzung einer zunehmend konsum-orientierten Gesellschaft, die sich durch ihren wachsenden Wohlstand selbst in eine Komplexitätsfalle manövriert hat. Genauso als Teilhabe am Vordenken der Gestaltung von Transformation und der sozialen Zukunftsgerechtigkeit von technologischen Innovationen. Wie werden wir als Gesellschaft kommende Innovationen aus dem Futur II, der vollendeten Zukunft, zu bewerten haben? Waren es Erfolgsgeschichten für alle oder nur für wenige? Haben sie dem Einen ein Problem gelöst und dafür Anderen neue Probleme geschaffen?

Bildquelle: Eigenes Bild