Festhalten? Oder doch loslassen und fliegen?

Als ich letztens einen Post zum World Industrial Design Day las, fragte ich mich, ob die dort benutzte Begrifflichkeit dieser Profession noch aktuell ist. Oder handelt es sich um ein Relikt? Visualisiert wurde der Text durch ein klassisches Rendering aus der Ideenphase einer konventionellen Produktgestaltung. Ist das noch eine kreative Fähigkeit oder doch schon eher eine zeichnerische Fertigkeit? Und kann ein solches Bild tatsächlich für eine zukunftsfähige Kernkompetenz der Industrial DesignerInnen stehen? Zweifel sind angebracht. Findet doch alles im Umfeld einer Industrie statt, die sich gerade neu erfindet. Mir drängte sich ein innerer Disput zur treibenden und tragenden Mission meiner Domäne auf. Zu welchem Glück der Gesellschaft, zu welchem Wert der Wirtschaft und zu welcher Wirksamkeit tragen wir in der Wissenschaft bei? Mission intangible? 

Ja, welches Selbstverständnis oder wie viele davon gibt es eigentlich in einer Domäne, deren Profil zunehmend an einen Pudding erinnert, den man versucht an die Wand zu nageln. In diesem Kontext fiel mir die Ausschreibung aus der Schweiz für eine Design-Professur auf. Es geht um Prozessgestaltung am Institute Experimental Design and Media Cultures der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel. Bei der Beschreibung der Aufgaben ist nicht ein einziges Mal vom Entwerfen die Rede, sondern von Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Digitalität. Bemerkenswert, steht doch sonst im Design das Entwerfen als Voraussetzung für ein drei- oder zweidimensionales Ergebnis im Vordergrund. Ausdruck eines curricularen Wandels?

Als sehr positiv ist zu bewerten, wenn an den Hochschulen das Design seine Vorstellung des „Genie-Gestalters“ erweitert und sich den Herausforderungen der Großen Transformation mit einer multi-perspektivischen Berufsbefähigung stellt. Natürlich wird es auch weiterhin Aufgaben geben, die einem Designverständnis entsprechen, welches sich auf das Entwurfsergebnis als Kreation mit hohem funktional-ästhetischem Nutzen konzentriert. Aber viele der heutigen DesignerInnen üben erfolgreiche Jobs aus, die weit über das klassische Selbstverständnis hinausgehen. Wie vielfältig die Tätigkeiten von DesignerInnen sind, ist in sozialen Netzwerken wie LinkedIn zu sehen, wo sie Einblicke in ihre Praxis geben. Viele sind im Management angekommen und sehen sich eher in synergetischen Prozessen, die unternehmerische Kompetenzen interdisziplinär bündeln und zu transformativen Entwicklungsqualitäten führen. Diese kreative Form der Kooperation und Kollaboration hat für die Zukunftsfähigkeit von Organisationen einen hohen ökonomisch-strategischen Wert. Darüber hinaus werden in unserer Gesellschaft normative Evaluierungskompetenzen gebraucht, um die für die Transformation zu entwickelnden Innovationen auf ihre Zukunftsfähigkeit hin zu konzipieren und umzusetzen. Lassen wir los und bringen die Multi-Potenzialität des Design zum Fliegen!

Bildquelle: John Foxx Images