Extreme Ungereimtheiten

Hey Deutschland, tickst du eigentlich noch ganz sauber? Was ist bloß los mit uns? Wenn ich noch an Zufälle glauben würde, hätte mich davon die 20h-Tagesschau vom 25.4.2024 befreit. Was mich aufregt, ist nicht die eine einzelne Nachricht, sondern die unmittelbare Aneinanderreihung von zwei völlig unabhängigen Ereignissen. Setzt man sie zueinander in Beziehung, könnte man am Geisteszustand unserer Republik zweifeln. 

Bei der einen Nachricht – „Polizeikosten bei Hochrisiko-Spielen“ – ging es um die Klage der Deutschen Fußball-Liga (DFL) beim Bundesverfassungsgericht (!). Die DFL will nicht die Mehrkosten für einen Polizeieinsatz bezahlen, der verhindern soll, dass sich die Fans zweier Fußballteams gegenseitig die Köpfe einschlagen. Das Bundesland Bremen möchte den Mehraufwand in Höhe von knapp 400.000 Euro für zusätzliche Polizeikräfte vom Veranstalter bezahlt bekommen und ihn nicht dem Steuerzahler aufbürden. Die direkt anschließende Nachricht war ein Bericht über eine Anfrage der Linken an die Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser in Deutschland. Heraus kam, dass rund 13.000 Plätze fehlen und Frauen in Not abgewiesen werden müssen. Und dass oft genug die vor häuslicher Gewalt schutzsuchenden Frauen mit ihren Kindern sogar noch für die Aufnahme im Frauenhaus bezahlen müssen. Im Übrigen ist die Einrichtung der Frauenhäuser eine freiwillige Leistung der Bundesländer. 

Es scheint in Deutschland im Jahr 2024 moralisch völlig okay zu sein, dass man die immer schneller drehende „Gelddruckmaschine“ Fußball subventioniert und sozial schwach gestellte Frauen in großer Not ignoriert. Wir schützen Hooligans vor sich selbst und lassen verprügelte Frauen im Stich? Ich frage mich immer öfter, für welche Werte steht dieses Land? Wir feiern Kant auch für seinen kategorischen Imperativ „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Aber haben wir den tatsächlich auch verstanden und verinnerlicht? Mir kommen Zweifel. 

Ja, wir müssen wieder intensiver über unser Wertesystem reden. Aber eh wir diskutieren, sollten wir uns über unsere Wahrnehmung verständigen. Meine Vermutung ist, dass viele Menschen in ihrem Hamsterrad stecken und für ihren Wohlstand rennen. Dabei aber eine immer eingeschränktere Wahrnehmung ihrer Umwelt haben. Sie registrieren an der Kasse, wenn ihre Lebensmittel immer teurer werden. Aber offenbar nicht, dass durch den Klimawandel die Ernten zunehmend leiden und damit die Preise steigen. 

Dass unsere Gesellschaft eine Transformation braucht, wird nicht mehr infrage gestellt. Aber wie die Wertebasis hierfür aussehen soll, scheint noch ohne Konsens zu sein. Zukunft lässt sich nur gestalten, wenn wir die Gegenwart verstehen, extreme „Ungereimtheiten“ wahrnehmen und bewerten. Desinteresse bereitet den Boden für Populismus und der endet in einer Autokratie. Und wer will das schon?!

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Bildquelle: Eigenes Bild