Mehr Jam Session statt Vorlesungsplan!

Aus zwei Gründen liebe ich Jam Sessions: Zum einen, weil diese Form der verabredeten Improvisation auf der Bühne viele überraschende musikalische Erlebnisse entstehen lässt, die für Publikum und MusikerInnen ein echter Genuss sind. Zum anderen, weil eine Jam Session jedem der MusikerInnen ein selbstbestimmtes Solo ermöglicht, das neue Höchstleistungen im Zusammenspiel hervorbringt. Hier spielt keiner die erste Geige, sondern es wird im Team auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt musiziert. Man kann – wenn man will – seine Eitelkeit auch einmal hintenanstellen. Eine inspirierende Jam Session funktioniert, weil die beteiligten MusikerInnen in ihrem Fach ein exzellentes Können mitbringen und jeweils souveräne Persönlichkeiten sind – mit Spaß an solchen Gigs. 

Wenn wir über Transformation reden, denken wir auch über eine neue Bewertung von Lebensqualität nach, die sich nicht im Dauer-Hetzen nach materiellem Überfluss eines exzessiven Ex-und-Hopp-Konsums manifestiert, sondern dem Erleben im Leben mit Genuss und ohne Ängste eine sehr viel höhere Bedeutung beimisst. Damit Transformation nicht zur Floskel verkommt, braucht diese ein akzeptiertes Ziel, einen definierten Gegenstand und eine verabredete Methode. So kommt man von der Vorstellung in die Realität. Dies kann man zwar an die große Politik delegieren, was aber nicht reichen wird, weil es top – down nicht funktioniert. Besser ist, wenn sich alle Gruppen der Gesellschaft an diesem schwierigen Prozess beteiligen – aber auf Augenhöhe.

Transformation ist hoch komplex und muss immer wieder nachjustiert werden. Es gibt nicht den einen großen Plan, sondern viele Möglichkeiten eines geordneten Rückzugs aus unserer auf Verschleiß fahrenden Gesellschaft. In Analogie zum Prinzip Jam Session sind solche wie im Handelsblatt vorgestellten Projekte durchaus probate Mittel, um zu neuen Erkenntnissen und Optionen des Handelns zu kommen. Was mich schon immer interessiert, sind interdisziplinäre Problemstellungen in kreativ-wissenschaftlichen Bereichen der Gestaltung. Diese begeistern mich, weil ich in rund 25 Jahren in Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstituten ein unglaubliches Potenzial an jungen Menschen kennengelernt habe, deren Fähigkeiten weit über die Schmalspur-Curricula hinausgingen. Schade, dass die meisten Schätze hier ungehoben bleiben. Dabei könnten sich Wirtschaft und Wissenschaft mit Kapital und Kreativität hier beiderseitig „bereichern“. Voraussetzung wäre allerdings, dass kompatible Strukturen der Zusammenarbeit entwickelt werden. Die Wirtschaft sollte sich vom Gedanken der unmittelbaren (ökonomischen) Verwertbarkeit trennen und dies als Investition in die eigene Leistungsfähigkeit betrachten. Die Hochschulen müssten sich von ihrer Routine des repetitiven Lernens verabschieden und auch ihre curriculare Organisation freier gestalten. Mehr Jam Session statt Vorlesungsplan! 

https://www.handelsblatt.com/technik/forschung-innovation/aufraeumroboter-und-ki-toiletten-wie-japan-das-wohnen-revolutioniert/29265374.html

Bildquelle: Eigenes Bild