Vom Störfaktor zum Booster für Bildung – Employability

Berufsfertige Absolventen – direkt einsetzbar, wertschöpfend und dauerhaft qualifiziert? Immer wieder verbreitet sich das Missverständnis, dass die Berufsbefähigung von Studierenden genau dieses Ziel hätte. Stimmt aber nicht! In einer Gesellschaft und Arbeitswelt, die sich so schnell wandeln wie noch nie, geht es vielmehr darum, Neues zu antizipieren, innovative Impulse zu geben und Fachwissen in kompetentes Handeln zu übersetzen. Neben wissenschaftlicher Grundbildung sind Kreativität und Innovation die wichtigsten Attribute. Das gilt in krisengeschüttelten Zeiten ganz besonders. Die gesellschaftliche Transformation braucht Köpfe, deren Denken aus gewohnten Bahnen ausbricht und sich Neues zutraut. 

Um so erstaunlicher ist es, dass Hochschulen nicht offensiver Chancen für eine Revision ihrer Lehrkonzepte nutzen. Übersehen wird insbesondere das Potenzial, das das Employability-Konzept bietet. Mit der Bologna-Reform ins Spiel gekommen, galt es zunächst als Störfaktor. Es stellte die traditionelle Hochschulidentität in Frage, die sich bis dato als praxisfern verstand. Employability wuchs aber konzeptionell über seine eng gefasste Bedeutung der Arbeitsmarktrelevanz hinaus. Es erwies sich als anschlussfähig an moderne Bildungskonzepte. Diese suchten nach Ansätzen, wie individuelles Lernen bei wachsender Heterogenität von Bildungsbiographien und bei zunehmender Akademisierung in der gesellschaftlichen Breite zu gestalten ist. Eine Antwort bot die Idee der Kompetenzorientierung, die den Fokus vom fachwissenschaftlichen Wissen zum subjektiven, situativen Lernen verändert und dabei professionelle Handlungsfähigkeit in langfristiger Perspektive fördert. Es geht um nachhaltige Lernkompetenzen, die einen lebenslangen Qualifikationsprozess unterstützen. Denn wenn Wissenszyklen kürzer werden, neuartige Probleme zunehmen und nach komplexem Problemlösungswissen verlangen, braucht es neue Fähigkeiten. Hier kommt das Konzept der Schlüsselkompetenzen ins Spiel, das übergreifende Fähigkeiten etwa methodischer, sozialer und personaler Art formuliert. Und schließlich wird Innovierung nicht nur Aufgabe für einzelne Ausnahme-Talente, sondern eine permanente Anforderung an kollaborative Teams. Damit ist wissenschaftliche Grundbildung in der Breite gefordert und Forschen als sozialer Prozess zu gestalten.

Mit diesen drei Elementen – Kompetenzorientierung, nachhaltige Lernkompetenzen und Forschungsorientierung – bietet das Employability-Konzept eine Antwort auf die Frage, wie Professionalität in der Wissensgesellschaft neu zu definieren ist. Nun sind die Hochschulen und Fakultäten an der Reihe, das Konzept fachwissenschaftlich zu adaptieren. Und hier fehlt es offenbar an Gestaltungswillen und Umsetzungskraft, wie meine Forschungen (Kern 2020: 36ff.) ergaben. Nicht nur im Design wird Employability nach dem hier beschriebenen Verständnis links liegen gelassen. Fatal, könnte es doch zum Booster für Bildung im 21. Jahrhundert werden!

Bildquelle: Eigenes Bild