Duales Studieren wird immer populärer, schreibt der Spiegel (16.01.2024) und verweist auf die steigenden Zahlen dual Studierender, die derzeit bei knapp 140.000 liegen – so hoch wie nie zuvor. Wichtig zu wissen: Es ist ein Wachstum gegen den Trend, denn aufgrund der demographischen Entwicklung sind die Studierendenzahlen insgesamt rückläufig. Was ist in dualen Studiengängen anders? Zusätzlich zu den wissenschaftlichen Lehrinhalten stellen sie enge Bezüge zum Arbeitsmarkt her, in Form einer integrierten Ausbildung oder von Praxisphasen. Ein Konzept, das in Zeiten des erheblichen Fachkräftemangels offenbar gut ankommt. Duale Studiengänge, die übrigens zunehmend von privaten Hochschulen angeboten werden, erscheinen wie die geheimen Gewinner, die „Hidden Champions“, der akademischen Lehre.
Der rückläufige Trend der Studierendenzahlen löst dagegen Sorgen aus, so die FAZ vom 29.01.2024. Hochschulen erhalten daher von prominenter Stelle Ratschläge, wie sie ihre Attraktivität verbessern könnten. Kein Geringerer als der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Wolfgang Wick, empfiehlt Hochschulen, die Qualität der Lehre zu steigern, individuelle Strategien für nicht ausgelastete Studienangebote zu entwickeln, neue Zielgruppen zu erschließen, sich der Vielfalt ihrer heterogenen Studierenden zu stellen – und in so mancher Hinsicht auch von privaten Hochschulen zu lernen. Bittersüß ist der letztgenannte Rat, denn sollten nicht eigentlich die staatlichen Player die Nase vorn haben? Immerhin erheben sie keine Studiengebühren, bieten etablierte Lehr-Lern-Strukturen und die Aura akademischer Tradition.
Was ist da los? Fehlt es vielleicht in Hochschulen an Erneuerungswillen auch mit Blick auf das Employability-Ziel? Es gehe immerhin darum, so wird der Wissenschaftsrats-Vorsitzende weiter zitiert, „mehr und besser qualifizierte Absolventen für den vom Fachkräftemangel geprägten Arbeitsmarkt“ auszubilden. Eine Bemerkung, die beiläufig daherkommt, aber es in sich hat.
Berufsbefähigung ist als hochschulisches Ziel eine festgeschriebene Größe, traditionell aber eher wenig praktiziert im Alltag der Lehre, wie ich in meiner Forschungsarbeit (Kern 2020) feststellte. Oft beruht diese Vernachlässigung auf der Annahme, die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt sei Aufgabe der Berufspraktiker und Routiniers. Im Kontakt mit der Arbeitswelt würden AbsolventInnen noch früh genug in die vorhandenen Strukturen eingearbeitet. Ein Missverständnis! Es geht doch gerade um das Innovationspotenzial kommender Generationen, um die vielen Aufgaben, die jenseits von bewährten Standards und Routinen zu bewältigen sind – vor allem in Zeiten der Transformation. Hochschulbildung muss „zertifizierte Skeptiker“ hervorbringen, wie der Hochschulforscher Teichler einmal schrieb. Es braucht mehr Studienkonzepte für Kreativität und Innovationsfähigkeit und didaktische Formate für Problemlösungsfähigkeit im kollaborativen Prozess.
Wo bleibt der Wake-up-Call für Hochschulen?