„Geht so“? Geht gar nicht!

Bittersüß ist der Befund: Für fast 67 % der befragten Studierenden ist die Aussicht auf einen sicheren Arbeitsplatz wichtig, ja sogar sehr wichtig. Und gleichzeitig zeigen sich fast 26 % (sehr) unzufrieden mit der Verknüpfung von Theorie und Praxisanteilen. Und nochmals 28 % bewerten diesen Aspekt weder als schlecht noch als gut, sondern eher mit einem unterkühlten „geht so“. Zusammen zeigt sich also mehr als die Hälfte der Studierenden enttäuscht, dass ihnen im Studium kein Bild von beruflicher Praxis vermittelt wird. 

Diese aktuellen Befunde liefert die im Mai 2023 veröffentlichte Studierendenbefragung des BMBF auf Basis von rund 190.000 Studierenden. Unterm Strich bedeutet das doch: Wer studiert, malt sich einen guten, sicheren Arbeitsplatz in seinen Träumen aus. In der Studienrealität spielt aber offenbar die Frage der Praxisorientierung bzw. Beschäftigungsbefähigung kaum eine Rolle. Und leider ist kein Kurswechsel erkennbar. Schon die Zahlen von 2017, die ich für meine Forschungsarbeit zum Thema Employability (Kern 2020) recherchierte, wiesen dieselbe Schwachstelle aus. 

Zeit also, ein flammendes Plädoyer zu halten für die Reformierung von Studiengängen im Sinne einer Hinwendung zur beruflichen Relevanz. Und damit ist nicht die Ausbildung von berufsfertigen Praktikern im landläufigen Sinn gemeint, sondern die Befähigung von jungen Innovatoren, die sich auf kritisches Denken verstehen, die komplexe Probleme mit Wissen und Kreativität angehen und auch ungewöhnliche Lösungen einbeziehen. Denn Employability bedeutet nicht die Reproduktion bewährter Muster der Vergangenheit, sondern die Befähigung, in die Zukunft zu denken und Neues zu schaffen. 

Wo müssten die Verantwortlichen in Hochschulen ansetzen? An vielen Punkten – angefangen bei Studiengangskonzepten, die Beruflichkeit vom ersten Semester an mitdenken und nicht an das Studienende in die Verantwortung der AbsolventInnen verlegen; weiterhin didaktische Formate wie das Forschende Lernen, die den selbstständigen Umgang mit wissenschaftlicher Methodik früh entwickeln. Handlungsoptionen liegen aber auch beim Hochschul- und Fakultätsmanagement, wo es mehr strategischen Freiraum für die Entwicklung konsistenter Lehrangebote braucht. Genauso ist Wissenschaftsmarketing ein Handlungsfeld, um Studiengängen für verschiedene Stakeholder ein differenziertes Profil zu geben.

In vielen Domänen vermissen Studierende eine Vorbereitung auf die strukturell gewandelte Arbeitswelt in der Wissensgesellschaft. Die unbeantwortete Frage der Employability entpuppt sich als eine generelle Zukunftsaufgabe von Hochschulen – vor allem vor dem Hintergrund, dass Studieren zum universellen Bildungsweg wird. Wachsende Nutzergruppen in großer Heterogenität erfordern eine Ausrichtung der Bildungsangebote auf differenzierte Berufswahlmotive. Ein Studienkonzept für alle ist schon längst überholt. Und ein „Geht so“ aus Sicht der Studierenden müsste Hochschulen eigentlich schwer ins Grübeln bringen …

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