Ethik als neues ökonomisches Credo?

Da geht ein junger Mensch ganz naiv in ein Studium und kommt anschließend mit verdorbenem Charakter wieder heraus? „Gehirnwäsche“ im BWL-Studium? Was ketzerisch klingt, ist eine dosierte akademische Provokation. Man kann es als Affront sehen, es ist aber eher eine Aufforderung zum Nachdenken über das Management-Studium.

Im Wintersemester 2020/21 waren 243.000 Studierende in BWL-Studiengängen eingeschrieben. Das macht die gesellschaftliche Bedeutung eines (guten) BWL-Studiums klar! Laut Statista vom 24.1.2022 ist das Platz 1 der beliebtesten Studien in Deutschland, mit deutlichem Abstand gefolgt von der Informatik mit 134.000 Studenten. In Anbetracht der anstehenden gesellschaftlichen Transformation und unter dem Eindruck der akuten Situation (Krieg in der Ukraine) ist es angebracht, die Relation von Wissen und Werten respektive Wissenschaft und Wertesysteme auf ihre Zukunftsfähigkeit zu prüfen.

Die bequeme kurzfristige Wirtschaftlichkeit hat unsere Gesellschaft in ein normatives und strategisches Desaster geführt – finanzieren wir doch gerade durch den Kauf von Energie einen Krieg, während hier derweil die Energie- und Lebenshaltungskosten heftig steigen. Ein offenbar politisch gewolltes ökonomisches Denken und Handeln mit einer Hier-und-jetzt-Priorität verhinderte einen frühzeitigen Wechsel der Paradigmen, was uns jetzt heftig um die Ohren fliegt. Was sich seinerzeit noch betriebswirtschaftlich rechnete, hat sich heute zu einem volkswirtschaftlichen Fiasko entwickelt. Wir müssen die Frage nach der Relevanz von Entscheidungskriterien stellen.

Ein globales Verständnis von Change Governance ist künftig gefordert, das (hoffentlich) zu substantiierten Zukunftskonzepten führt, die wiederum mehrdimensional zu diskutieren sein werden. Zu wünschen ist, dass künftig die jungen Menschen mit einem wirtschaftlichen Credo konfrontiert werden, das Ethik und Pragmatik, Planung und Vorahnung kreativ mischt und innovativ gestaltet.

In diesem Kontext werden Denkmodelle und Denkmethoden zum Katalysator einer neuen Problemlösungskompetenz und Transformationskreativität – BWL mit holistischer Perspektive. So wie die Mathematik erfolgreiche Interventionen in der Kunst geleistet hat, so wird die Kreativität eine neue Rolle in der Ökonomie zu übernehmen haben. Wer künftig herausfordernde Management-Jobs übernehmen will, muss neben Kenntnissen in Künstlicher Intelligenz vor allem eigene kreative Imagination mitbringen, um Zukunft auch wirtschaftlich beschreiben, bewerten, berechnen und bewegen zu können.

Und dabei wird sich sicher auch die Charakterfrage im Sinne einer verantwortungsvollen Programmatik stellen – nicht verdorben, sondern durch Persönlichkeit erworben …

https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/betriebswirtschaftslehre-dann-haben-wir-ihren-charakter-verdorben/28039632.html

Bildquelle: Foto-CD Goodshot