Ticket für die Performance der Persönlichkeit

Ein hehres Ziel des Designstudiums lautet: „Entwicklung einer Gestalterpersönlichkeit“. Jedoch wird dieses Ziel selten expliziert. Offenbar geht man davon aus, dass alle das Gleiche meinen. Tatsächlich ist aber die Welt des Designs ungeheuer vielschichtig, differenziert und wandlungsfähig. Die Anforderungen an die „Gestalterpersönlichkeit“ von morgen sind nicht die von heute. Daher gibt es nicht mehr eine geradlinige Karriere im Design, sondern viele verschiedene. Ein Dilemma?

Lehrende, die diese Offenheit des Berufsbilds dem Curriculum zu Grunde legen, zielen auf eine multi-perspektivische Berufsbefähigung. Diese fokussiert nicht allein auf die Entwurfspraxis, sondern auf eine ganze Riege vor- und nachlaufender Kompetenzen. Selbstständig tätige DesignerInnen und ihr Berufsalltag sind Beleg. Hier wird akquiriert und präsentiert, verhandelt und abgerechnet, beraten und geplant, kreiert und kooperiert. Die IT-Kompetenzen reichen bis zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Manches davon muss man können und manches auch nur kennen, um einen späteren Lernprozess zu durchlaufen. Nicht klar ist, welche Probleme und Aufgaben sich konkret in der späteren Praxis stellen. Klar ist dagegen, dass es einer kreativ-wissenschaftlichen Arbeitsweise bedarf, die als Kernkompetenz den Grundstein der Berufsbefähigung bildet.

In meiner Lehre habe ich nach dem Konzept des Projektstudiums und nur in Teams mit den Studierenden gearbeitet. Ziel war, ein komplexes, sich ständig entwickelndes Berufsbild mit den unterschiedlich ausgeprägten Talenten und Interessen der Studierenden in Einklang zu bringen. Zu Beginn eines jeden Semesters formulierte ich eine Projektaufgabe, die die Studierenden bis zum Ende des Semesters zu bearbeiten hatten. Die Komplexität der jeweiligen Aufgabe wuchs mit den Entwicklungsstadien der Berufsbefähigung im Verlauf des Studiums und damit mit den Herausforderungen eines sich permanent verändernden Arbeitsmarktes. 

Die Projekte, die den Problemlösungsprozess strukturieren, sind für die Studierenden wie eine Terra incognita, die sie sich sukzessive erschließen. Dabei beginnen sie ihre Talente und Interessen im Sinne ihrer individuellen Berufsbefähigung zu kodieren. Sie entdecken Übereinstimmungen ihrer Vorstellungen mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes. Jedes der Projekte ist wie eine Erkenntnis-Safari angelegt, die das Wissen wachsen lässt. Dabei entschlüsselt man immer mehr sein eigenes Potenzial und entwickelt Selbstbewusstsein. Am Ende des Studiums finden sich im studentischen Portfolio 6 bis 7 Projekte, die wie eine vermaßte Topografie ihrer Kompetenz sind. So bildet sich ein Selbstverständnis, das zu einer Rekodierung der Optionen ihrer Fähigkeiten führt. Dieses lässt sich so kommunizieren, dass Dritte das Entwicklungspotenzial der Problemlösungskompetenz von AbsolventInnen einschätzen können. Das Ticket für die Performance der Persönlichkeit!

Bildquelle: Eigenes Bild