Unsere bigotte Beziehung zur Bildung

Warum schneiden wir bei der Bildungsqualität immer wieder so schlecht ab? Weil uns das Thema nicht wirklich berührt und nachhaltig interessiert? Ich denke, ja! Mir fehlt auch jede andere Erklärungsmöglichkeit. Der erste PISA-Schock fand in 2000 statt – 23 Jahre ist das her. Bildung hat keine Lobby, aber viele Salonlöwen. Da wird viel schwadroniert und heiße Luft produziert. Alles zahnlos, weil folgenlos. Erinnert sich noch jemand an die „Bildungsrepublik Deutschland“, die Frau Merkel 2008 ausrief? Gut gebrüllt, Salonlöwe!

Wir, die Gesellschaft, empört sich immer häufiger und immer hitziger, aber bekämpft die Ursachen ihrer Erregung immer weniger bis gar nicht. Ist aus unserem „Über-Vertrauen“ in den Staat eine „Unter-Verantwortung“ des Einzelnen geworden? Empören und Delegieren sind Volkssport geworden. Für mich ist das eine bigotte Beziehung! 

Ja, wir haben in den allgemeinbildenden Schulen immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund. Aber das ist nicht neu, seitdem die „Gastarbeiter“ in den 1970er zunehmend ihre Familien haben nachkommen lassen. Und das ist rund 50 Jahre her. Und natürlich hat diese Entwicklung weiter zugenommen!

In einer der Zeitungen, die alle reichlich skandalträchtiges Futter verbreiten, las ich, dass ja schon seit dem 2000er Pisa-Schock viel passiert sei, aber die Welt hätte sich ja auch schon wieder so schnell geändert. Klingt wie eine Entschuldigung, ist aber nur das Eingeständnis unseres strukturellen Hinterherlaufens. Irgendwie sind immer die anderen schuld, nur wir nicht! 

In diesen Tagen las ich auch im „Brief für Hochschule, Wissenschaft, Scientific Community“ der ZEIT, dass sich die Hochschulen zu dem neuerlichen Pisa-Schock gar nicht äußern. Abgestumpfheit? Dabei sind die SchülerInnen sogar so schlecht wie nie – in Mathe, Naturwissenschaften und Lesen. Und für ihre Bildung sind LehrerInnen zuständig, die an Hochschulen ausgebildet wurden.

Meine Partikular-Erfahrungen als Hochschullehrer seit 2002 haben mir bestätigt, dass die Rechtschreib- und Sprachschwächen von einer Lesemüdigkeit begleitet werden. Bücher in den Bibliotheken wiesen auch nach Jahren so gut keine Gebrauchsspuren auf. Jede Thematisierung dieser Defizite meinerseits blieb ungehört!

Ja, es fehlen LehrerInnen an den Schulen. Aber das ist keine Naturkatastrophe. Ich denke, das ist eher Kalkül. Natürlich kostet das Geld! Schulen respektive Bildung ist nicht zum Null-Tarif zu kriegen, sondern braucht einen Plan, eine Politik und eine gesellschaftliche Verankerung. Aber das gilt auch für die Kitas und das Pflegepersonal, wie für die Polizei, die Bundeswehr und sogar das Personal in den Finanzämtern. Geld war schon immer eine Frage der Verteilung!

Die Zukunft ist sicher – nicht die Rente. Damit die aber nicht infrage gestellt ist, muss die Basis für unseren Wohlstand, die Bildung, in der gesellschaftlichen Agenda ganz nach oben und mit Priorität behandelt werden!

https://www.deutschlandfunk.de/pisa-studie-2022-102.html

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